Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 360

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In der Rede Waryńskis fällt vor allem die charakteristische Betonung der aktiven Rolle der Arbeiterklasse als solcher in den sozialistischen Bestrebungen auf, der Hervorhebung des täglichen Klassenkampfes.

„Wenn die Arbeiterklasse die politische Arena betritt“, sagt Waryński, „muß sie Organisation gegen Organisation stellen und im Namen bestimmter Ideale den Kampf gegen die bestehende Gesellschaftsordnung führen. Das ist die Aufgabe der Arbeiterpartei, die unter dem Banner des Sozialismus kämpft. Sie bildet das Gegengewicht zu den anderen sozialen Klassen und errichtet einen Damm gegen die reaktionären Bestrebungen. In ihrem Streben nach einer radikalen Änderung der Gesellschaftsordnung führt die Arbeiterpartei in der gegenwärtigen Zeit die Vorbereitungsarbeit dazu durch. Ihre Aufgabe besteht darin, die Arbeiter zu einem bewußten Verhalten gegenüber ihren Interessen zu veranlassen und sie zu einer ausdauernden Verteidigung ihrer Rechte aufzurufen. Die Arbeiterpartei erzieht die Arbeiterklasse zur Disziplin, organisiert sie und führt sie zum Kampf gegen die Regierung und die privilegierten Klassen.“

Nicht weniger bezeichnend ist, daß Waryński über den Terror nur als von einem Hilfsmittel im täglichen Kampf spricht, freiere Bedingungen der Organisation und Massenaktion zu erlangen. Die Rolle des Terrors als Mittel zur Verwirklichung des gesellschaftlichen Umsturzes negiert er dagegen ausdrücklich. „Mit Hilfe von Gewalt zu handeln“, sagt er, „ist eine traurige, aber unvermeidliche Folge der heutigen fehlerhaften Gesellschaftsordnung. Der ökonomische Terrorismus ist keineswegs ein Mittel, um unsere gesellschaftlichen Aufgaben zu erreichen; aber unter bestimmten Bedingungen ist er das einzige Mittel im Kampf gegen das Böse, das in dem gegenwärtigen Gesellschaftssystem verwurzelt ist.“

Obwohl diese Ansicht über die Taktik des ökonomischen Kampfes vollkommen falsch war, unterliegt es keinem Zweifel, daß auch in diesem Punkte die Illusionen Waryńskis in bezug auf die heilsamen Folgen des Terrorismus keineswegs das Ergebnis einer verschwörerischen Anschauung über den sozialistischen Kampf waren, sondern nur eine falsche Einschätzung der praktischen Methoden des Klassenkampfes. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, daß Waryński als Beispiel für seine Auffassung des ökonomischen Terrorismus die ursprüngliche Taktik der englischen Gewerkschaften zu Beginn des vorigen Jahrhunderts anführt, die eine Folge der damaligen politischen Verhältnisse in England war, welche die offene Organisation und einen gewerkschaftlichen Kampf unmöglich machten; sie war ebenfalls eine Methode, sich die entsprechenden Freiheiten zu erkämpfen.

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