Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 348

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Das Schicksal des „Proletariat“ beeinflußte besonders noch ein anderer Umstand. Die Verschwörertätigkeit, die auf den Sturz der Regierung und die Machtergreifung gerichtet ist, zeigt den eigentümlichen Zug, daß sie überhaupt nur dort angewendet werden kann, wo sich die zentrale Staatsgewalt, die wichtigsten Regierungsorgane befinden. Die „Machtergreifung“ (sachwat wlasti) kann man sich bestenfalls in Petersburg vorstellen, aber nicht in Warschau mit seiner untergeordneten provinziellen Bedeutung im Staatsapparat Rußlands. Sofern bei einer solchen Aktion der Provinz während des „Ausbruchs“ eine Hilfsrolle zugeteilt werden sollte, so reduzierte sich diese Rolle jedenfalls bis zum Augenblick des „Ausbruchs“ auf tatenloses Abwarten und Zirkelpropaganda. Auch der systematische Terror, der die Hauptform der Tätigkeit der „Narodnaja Wolja“ war und die Desorganisierung der Regierung zum Ziele hatte, konnte selbstverständlich nur gegen die wichtigsten Vertreter der Zentralgewalt angewandt werden, also nur in der Hauptstadt, nicht aber gegen die provinziellen zweit- und drittrangigen Satrapen, soweit es sich nicht um Strafakte für besondere Ausschreitungen handelte.

Die Sache sieht allerdings ganz anders aus, wenn wir den Standpunkt des Massenkampfes gegen den Zarismus um demokratische Freiheiten, wie ihn die Sozialdemokratie auffaßt, einnehmen. Zweifellos kommt auch hier dem eigentlichen Rußland vor allem die entscheidende und einflußreiche Rolle zu. Da aber von diesem Standpunkt aus betrachtet nur eine direkte Aktion der Arbeiterklasse selbst den Zarismus stürzen kann, ist also gerade

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