Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 294

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zufinden, sobald es sich für sie um „ein Stück praktische Bewegung“ handelte, wie vermieden sie hier jede doktrinäre Exklusivität oder dogmatische Rechthaberei, wo die Anfänge einer wirklichen Arbeiterorganisation in Frage kamen! Und welch sicheres Empfinden für die Bedürfnisse des historischen Moments äußert sich andrerseits in der Schärfe, mit der sie in den 40er Jahren, als es galt, der neuen wissenschaftlichen Theorie erst Platz in der sozialistischen Ideenwelt zu erobern, diese Theorie von aller an- und umgrenzenden Konfusion abzuscheiden wußten!

Heute feiern wir gewissermaßen ad majorem gloriam der Hegelschen Triade eine Auferstehung der sozialistischen Konfusion als „höherer Synthese“ des wissenschaftlichen Sozialismus. Der theoretische Urnebel, aus dem sich in den 40er Jahren der feste Kern des wissenschaftlichen Sozialismus herausgebildet hat, erhebt sich wieder, um diesen festen Kern in sich aufzulösen und aufzusaugen. Die seligen Gebeine der Heß und Grün, des Weitling, des Proudhon, ja sogar des guten Heinzen spazieren in bizarrer Gliederverstauchung lustig umher und heucheln blutwarmes Leben. Da sind denn die blitzenden Schwertstreiche, womit sie von Marx und Engels vor einem halben Jahrhundert in das Reich der Schatten gejagt worden sind, eine sehr angebrachte Erinnerung für die heutige Sozialdemokratie, um ihr Selbstvertrauen zu stählen und ihren ermatteten Gedanken zu beflügeln.

Und dazu sind alle die Arbeiten des zweiten Bandes, von der Auseinandersetzung mit Ruge im Pariser „Vorwärts!“ bis zur Abfertigung an Karl Heinzen in der „Deutschen-Brüsseler-Zeitung“, sehr geeignet, sie tragen alle den besonderen Stempel der Geistesprodukte Marxens – den der bewältigenden Tiefe des Gedankens. Wie man z. B. aus angeborener Denkfaulheit und intellektueller Konzessionssucht bereit ist, die nüchternen, treffenden Ansichten Ruges über die politische und soziale Revolution halb und halb überzeugt zu akzeptieren und erst in der Antwort Marxens mit innerer Beschämung die tiefen und großen Gesichtspunkte wiederfindet, so wird man bei jeder Frage, in jedem Artikel durch Marxens Gedankenflug von dem platten Boden emporgerissen. Es ergeht uns dabei genau wie bei der Lektüre des Marxschen „Kapitals“, wo man häufig durch die Richtigkeit der in den Fußnoten angeführten Ansichten bürgerlicher Theoretiker überrascht wird, um gleich in der darauffolgenden Analyse Marxens die ganze armselige Bedingtheit und Plattheit dieser „treffenden Ansichten“ zu empfinden.

Und diese überwältigende Wirkung der Marxschen Gedankenarbeit liegt nicht nur an seiner persönlichen Genialität, sondern daran, daß er

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