Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 267

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bayerischen Fraktion in sachlicher Weise hineingeleuchtet zu haben, wird von der „Münchener Post“ mit dem außerordentlich bissigen Titel eines „russischen Sozialrevolutionärs“ und mit Redensarten von seinen „tollen Einfällen“ und „Schmähungen“ abgefertigt. Und Bebel, der in der „Neuen Zeit“ mit der bayerischen Taktik streng ins Gericht gezogen ist[1], wird kurz damit vernichtet, daß ihm ungenaue Kenntnis der bayerischen Verhältnisse und sein leidenschaftliches Temperament vorgeworfen werden.

Wir können nur lebhaft bedauern, daß Genosse Bebel es für ratsamer erachtet hat, auf diese kindischen Ausflüchte erst nach dem bayerischen Parteitag in Ludwigshafen[2] zu antworten, während es viel wirksamer und nützlicher wäre, gerade vor den Verhandlungen der bayerischen Genossen die Taktik ihrer Parlamentarier möglichst erschöpfend zu beleuchten. Aber freilich sind die spärlichen Argumente, die von der bayerischen Fraktion vorgebracht worden sind, an sich vollkommen ausreichend, um den letzten Zweifel an ihrer rettungslosen politischen Zerfahrenheit in der Wahlrechtsfrage zu beseitigen.

Es wäre lächerlich, im Ernst auf den alten bayerischen Ladenhüter – die „Unkenntnis der besonderen bayerischen Verhältnisse“ – näher einzugehen. Man hat sich bereits seit einem Jahrzehnt in der Partei daran gewöhnt, sobald irgendein neues Meisterstück der Staatsmannskunst in München vor die Öffentlichkeit gezogen wird, Wunderdinge von Bayerns geheimnisvollen Besonderheiten zu hören, wie wenn Bayern nicht in zehn Stunden von Berlin aus zu erreichen, sondern eine Art Hottentottenland wäre, in das erst wissenschaftliche Expeditionen zur näheren Erforschung des Landes, der Sitten und Gebräuche abgesandt werden müßten. Tatsächlich besteht die ganze Besonderheit Bayerns lediglich darin, daß, was sonst in der ganzen Welt als elementarste sozialdemokratische Forderungen gilt, wie z. B. das allgemeine Wahlrecht ohne Zensus und im 21. Lebensjahre, von bayerischen Sozialdemokraten als „tolle Einfälle“ und „Schmähungen“ aufgefaßt wird.

Einer speziellen Hervorhebung ist aber das einzige sachliche Argument wert, das die „Münchener Post“ in Beantwortung der Bebelschen Kritik versucht hat. Es ist dies der Hinweis darauf, daß, entgegen der Bebelschen Annahme, im bayerischen Landtag die zur Wahlrechtsreform erforderliche Zweidrittelmehrheit ohne die 11 Sozialdemokraten nicht zustande kommen

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[1] August Bebel: Kritisches. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 20. Jg. 1901/02, Zweiter Band, S. 262 bis 274.

[2] Der Parteitag der bayrischen Sozialdemokraten fand am 15. und 16. Juni 1902 in Ludwigshafen statt.