Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 251

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Panzerschiffe, goldene Dollars Million auf Million, um Tod und Verwüstung zu säen.

Gestern, heute – dort weit im afrikanischen Süden, wo noch vor ein paar Jahren ein ruhig Völklein der Arbeit und dem Frieden lebte, da sehen wir die Engländer hausen[1], dieselben Engländer, die auf Martinique den Müttern ihre Kinder, den Kindern ihre Eltern retten, dort sehen wir sie auf Menschenleibern, auf Kinderleichen mit brutalem Soldatenstiefel stampfen, in Lachen Blutes waten, Tod und Jammer vor sich und hinter sich.

Ach, und die Russen, der rettende, helfende, weinende Zar aller Reußen – alte Bekannte! Auf den Wällen von Praga[2] haben wir euch gesehen, wo warmes Polenblut in Strömen floß und den Himmel mit seinen Dämpfen rot färbte. Doch das sind alte Zeiten. Nein, jetzt, vor einigen Wochen erst, haben wir euch gesehen, mildtätige Russen, drüben auf staubiger Chaussee, mitten im verfallenen russischen Dorfe, Aug in Aug mit der zerlumpten, wildaufgeregten, murrenden Menge, da knatterten Schüsse, da fielen röchelnd die Muschiks zur Erde, da mischte sich mit dem Chausseestaube das rote Bauernblut.[3] Sie mußten sterben, sie mußten fallen, denn ihnen krümmte sich der Leib vor Hunger, denn sie riefen nach Brot, nach Brot!

Und noch haben wir dich gesehen, o Mutter Republik, du Tränenreiche, es war am 23. Mai des Jahres 1871, eine herrliche Frühlingssonne leuchtete über Paris, da standen zusammengepfercht in den Straßen, im Gefängnishofe Tausende von blassen Blusenmenschen, Leib an Leib und Kopf an Kopf; durch der Mauer Luken steckten die Mitrailleusen ihre blutrünstigen Schlünde, kein Vulkan brach aus, kein Lavastrom stürzte hernieder. Deine Kanonen, Mutter Republik, wurden auf die dichte Menschenmenge gerichtet, Schmerzensschrei zerriß die Luft – über zwanzigtausend Leichen bedeckten das Pflaster von Paris!

Und alle euch, wie ihr seid, Franzosen und Engländer, Russen und Deutsche, Italiener und Amerikaner, alle zusammen haben wir schon einmal in brüderlicher Eintracht gesehen, zu einem großen Bund der Nationen vereint, einander helfen und führen – es war in China.[4] Auch dort habt ihr allen Hader untereinander vergessen, auch dort einen Völkerfrieden geschlossen – zum gemeinsamen Morden und Sengen. Ha, wie die

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[1] Nach der Entdeckung von Goldfeldern in Transvaal hatte England im Oktober 1899 einen Krieg gegen die Burenrepublik in Südafrika provoziert. Nach anfänglichen militärischen Schwierigkeiten gelang es England durch einen brutalen Unterdrückungsfeldzug, die Buren im Mai 1902 der britischen Herrschaft zu unterwerfen.

[2] Eine Militärrevolte vom 29. November 1830 in Warschau verwandelte sich in einen Volksaufstand gegen die zaristische Fremdherrschaft. Mit der Einnahme von Warschau am 7. September 1831 durch zaristische Truppen wurde der Aufstand niedergeworfen.

[3] Von März bis Mai 1902 waren in den Gouvernements Woronesh, Kutais, Poltawa und Charkow Bauernunruhen aufgeflammt, die mit Waffengewalt unterdrückt wurden.

[4] 899 war in Nordchina der Volksaufstand der Ihotuan ausgebrochen, der 1900 durch die vereinigten Armeen von acht imperialistischen Staaten unter Führung des deutschen Generals Alfred Graf von Waldersee grausam niedergeworfen wurde. In einem Abschlußprotokoll von 1901 wurde China u. a. gezwungen, etwa 1,4 Milliarden Mark Kontributionen zu zahlen und der Errichtung von Stützpunkten für die Interventionsarmeen zuzustimmen.