Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 245

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unter allen Umständen und in jedem Falle geben müsse. Es ist klar, daß, dürfte man in dieser Weise schlußfolgern, wir längst zum Beispiel den gewerkschaftlichen Kampf, die Lohnkämpfe hätten ad acta legen müssen, denn diese haben uns gewiß schon unzählige Niederlagen eingebracht.

Das Merkwürdigste liegt jedoch darin, daß in dem belgischen Kampfe, der die Wirkungslosigkeit der Gewaltmittel bewiesen haben soll, von Gewalt seitens der Arbeiter – wenn man nicht mit der Polizei den ruhigen Streik schon zu einer „Gewalttat“ stempelt – nicht der geringste Gebrauch gemacht worden ist! Eine Straßenrevolution war weder geplant, noch wurde sie auch nur versucht. Und gerade deshalb beweist die belgische Niederlage das direkte Gegenteil von dem, was man ihr unterschieben will: Sie beweist, daß in Belgien gegenwärtig das allgemeine, gleiche Wahlrecht nach allem zu urteilen, angesichts des Verrats der Liberalen wie der Entschlossenheit des Klerikalismus zu den äußersten Mitteln, ziemlich wenig Aussicht hat, ohne Gewaltanwendung errungen zu werden. Ja sie beweist noch mehr! Sie beweist, daß, wenn sogar so elementare, rein bürgerliche, nicht im geringsten über den Rahmen der bestehenden Ordnung hinausgehende parlamentarische Formen wie ein gleiches Wahlrecht auf friedlichem Wege nicht zu erobern sind, daß, wenn die herrschenden Klassen schon zum Widerstand gegen eine im kapitalistischen Staate selbstverständliche, rein bürgerliche Reform an die nackte Gewalt ihrerseits appellieren, daß angesichts dessen alle Spekulationen auf eine friedliche, parlamentarische Abschaffung der kapitalistischen Staatsgewalt, der ganzen Klassenherrschaft, nichts als eine lächerliche Phantasie aus der politischen Kinderstube sind.

Und noch eins beweist die belgische Niederlage! Sie beweist wieder einmal, daß, wenn die sozialistischen Legalisten die bürgerliche Demokratie als die berufene historische Form zur allmählichen Verwirklichung des Sozialismus betrachten, sie nicht mit einer konkreten Demokratie, einem konkreten Parlamentarismus operieren, wie sie hienieden auf Erden ihr tristes und schwankendes Dasein führen, sondern mit einer eingebildeten, abstrakten Demokratie, die, über allen Klassen stehend, in ewigem Fortschritt und stetem Wachstum ihrer Macht begriffen ist.

Ganz phantastische Unterschätzung der wachsenden Reaktion und ebenso phantastische Überschätzung der Errungenschaften der Demokratie gehören hier zueinander und ergänzen einander aufs glücklichste. Jaurès schwelgt inmitten der winzigen Reformen Millerands und der mikroskopischen Erfolge des Republikanismus und erklärt jede Vorlage über eine

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