negativer Weise das des Reichstagswahlrechtes. Es wird wohl niemand zweifeln, daß das so häufig bedrohte allgemeine Wahlrecht in Deutschland nicht etwa aus Rücksicht auf den deutschen Liberalismus, sondern hauptsächlich aus Furcht vor der Arbeiterklasse, aus Überzeugung, daß die Sozialdemokratie hier keinen Spaß versteht, nicht eskamotiert wird. Und ebenso wird auch der größte Fanatiker der Gesetzlichkeit nicht zu bestreiten wagen, daß, falls man uns eines Tages das allgemeine Reichstagswahlrecht doch eskamotieren sollte, die deutsche Arbeiterklasse keineswegs von bloßen „gesetzlichen Protesten“, sondern vielmehr nur von gewaltsamen Mitteln früher oder später die Zurückeroberung des gesetzlichen Kampfbodens würde erhoffen dürfen.
So wird die Theorie des sozialistischen Legalismus schon durch die praktischen Eventualitäten ad absurdum geführt. Die Gewalt erscheint, weit entfernt, durch die „Gesetzlichkeit“ entthront zu sein, vielmehr als der eigentliche Schirmherr, genauer als die Basis der Gesetzlichkeit – sowohl auf seiten der Bourgeoisie wie auf der des Proletariats.
Und umgekehrt erweist sich die Gesetzlichkeit als das ständigen Schwankungen unterworfene Produkt der jeweiligen Machtverhältnisse unter den kämpfenden Klassen. Bayern wie Sachsen, Belgien wie das Deutsche Reich sind ebenso viele Beispiele aus der allerletzten Zeit dafür, daß die parlamentarischen Bedingungen des politischen Kampfes gewährt oder verweigert, aufrechterhalten oder zurückgenommen werden, je nachdem dabei die Interessen der herrschenden Klasse in der Hauptsache gesichert werden können oder nicht, ferner je nachdem die latente Gewalt der Volksmassen als Sturmbock oder ausreichende Schutzwehr ihre Wirkung ausübt.
Kann aber somit die Gewalt als Mittel der Defensive, zum Schutze des parlamentarischen Besitzstandes in gewissen äußersten Fällen nicht entbehrt werden, dann ergibt sie sich nicht minder als das in bestimmten Fällen unersetzliche Mittel der Offensive dort, wo das gesetzliche Terrain des Klassenkampfes erst zu erobern ist.
Die Versuche der Revision der „revolutionären Mittel“ im Anschluß an die jüngsten belgischen Ereignisse sind vielleicht die merkwürdigste Probe der politischen Konsequenz, die der revisionistische Drang überhaupt seit Jahren zum besten gegeben hat. Selbst wenn man von einem Fiasko der „revolutionären Mittel“ im Sinne der Gewalt in der belgischen Kampagne sprechen könnte, so setzt die summarische Verurteilung dieser Mittel auf Grund der einen belgischen Niederlage offenbar voraus, daß der Gebrauch der Gewalt im Arbeiterkampfe unbedingt eine Garantie des Erfolges