Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 24

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vor der Kirche wird mit einer Huldigungsrede Waldeck-Rousseaus an die Adresse des Papstes eingeleitet und durch ein von den Nationalisten angebotenes Vertrauensvotum besiegelt.

Den Kulminationspunkt der republikanischen Verteidigung des Ministeriums bildet endlich das Amnestiegesetz vom Dezember vorigen Jahres. Zwei Jahre lang verzehrte sich Frankreich in dem Verlangen nach Wahrheit, Licht und Gerechtigkeit. Zwei Jahre lastete auf seinem Gewissen die böse Tat eines ungesühnten Justizmordes. Die Gesellschaft erstickte schier in der verpesteten Atmosphäre der Lügen, Meineide und Fälschungen.

Und endlich war die Regierung der republikanischen Verteidigung gekommen. Alle Welt hielt den Atem zurück. „Die große Sonne der Gerechtigkeit“ sollte aufgehen.

Und sie ging auf. Am 19. Dezember läßt die Regierung von der Kammer ein Gesetz votieren, wonach sie allen Verbrechern die Straflosigkeit garantiert, allen Opfern die rechtliche Genugtuung verweigert, alle angefangenen Prozesse erstickt. Diejenigen, die gestern als die gefährlichsten Feinde der Republik erklärt waren, werden heute wieder als verlorene Söhne liebevoll in ihren Schoß aufgenommen. Um die Republik zu verteidigen, wird sämtlichen Angreifern der Republik ein Generalpardon gegeben, um die republikanische Justiz zu rehabilitieren, wird den Opfern des Justizmordes die Rehabilitierung abgeschnitten.

Der kleinbürgerliche Radikalismus ist sich treu geblieben. Der Radikale Bourgeois, im Jahre 1893 im Kabinett Ribot zur Liquidation des Panamaskandals berufen, ließ, da die Republik in Gefahr erklärt wurde, alle angeklagten Parlamentarier außer Verfolgung setzen und die ganze Affäre im Sande verlaufen. Waldeck-Rousseau, der Syndikus der Dreyfus-Affäre, löst, um der monarchistischen Gefahr den Riegel vorzuschieben, die Affäre in einem vollständigen Fiasko auf. Das Schema bleibt das alte:

„Die schmetternde Ouvertüre, die den Kampf verkündete, verliert sich in ein kleinlautes Knurren, sobald er beginnen soll, die Schauspieler hören auf, sich au sérieux zu nehmen, und die Handlung fällt platt zusammen wie ein luftgefüllter Ballon, den man mit einer Nadel piekt.“

Und um diese grotesk-winzige, vom Standpunkt nicht des Sozialismus, nicht einer halbwegs lebensfähigen radikalen Partei, nein, vom Standpunkt der republikanischen Maßnahmen der Opportunisten in den achtziger Jahren, der Gambetta, Jules Ferry, Constans, Tirard, lächerliche Aktion in die Welt zu setzen, dazu soll der Anteil eines Sozialisten, soll die Vertretung der ganzen Tatkraft der Arbeiterklasse in der Regierung unentbehrlich gewesen sein?

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