Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 22

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hatte und sich gegen den Organismus der Republik richtete, so galt es, an ihre Selbständigkeit die Axt zu legen und durch Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit wie auch durch Kürzung der Dienstzeit ihre Annäherung an die Zivilgesellschaft herbeizuführen. Wenn die Pfaffheit die rebellischen Tendenzen des Militärs unterstützte und gegen die Republik hetzte, so galt es, ihre Macht zu vernichten durch Auflösung der Kongregationen, Konfiskation ihres Vermögens und Trennung der Schule von der Kirche wie der Kirche vom Staate.

Und vor allem, wenn die Korruption in der Armee und der eklatante Justizmord sowie sein Rattenschwanz von Lügen, Fälschungen, Meineiden und anderen Verbrechen das Ansehen Frankreichs im Innern und nach außen vollständig erschüttert hatten, so galt es, durch eine exemplarische Bestrafung der Schuldigen, Freisprechung des unschuldig Verurteilten und Verbreitung voller Klarheit der republikanischen Justiz wieder Achtung und Autorität zu verschaffen.

Das Ministerium steht schon neunzehn Monate am Ruder, es hat die durchschnittliche Lebensdauer einer französischen Regierung, die fatalen neun Monate, zweimal überdauert. Worin bestehen seine Werke, was hat es geleistet?

Wenn man sich einen eklatanten Widerspruch zwischen Mittel und Zweck, zwischen Aufgabe und Ausführung, zwischen vorbereitender Reklame und dem folgenden Schauspiel vorstellen kann, so ist es der zwischen den Erwartungen, die man auf Waldeck-Rousseau gesetzt, und dem, was er gehalten.

Von der ganzen Reform der Militärjustiz haben wir bis jetzt ein Versprechen des Kriegsministers, in das Verfahren der Kriegsgerichte – die „mildernden Umstände“ einzuführen. Von der ganzen „Demokratisierung“ der Armee – eine Verfügung über die von den Offizieren zu lesenden Zeitungen. Der Sozialist Pastre beantragt in der Kammersitzung vom 27. Dezember vorigen Jahres die Einführung der zweijährigen Dienstzeit, der General André antwortet, er, der radikale Minister der republikanischen Verteidigung, könne zu dieser in dem halbabsolutistischen Deutschland durchgeführten Reform keine Stellung nehmen. Der Sozialist Dejeante fordert in derselben Sitzung die Beseitigung der Pfaffen von den Militärschulen, Ersetzung des geistlichen Personals in den Militärspitälern durch ein weltliches, Abschaffung der Kultusausgaben der Armee – der Minister der republikanischen Verteidigung, der die Armee verweltlichen sollte, antwortet mit einer schroffen Ablehnung der Anträge und mit einer Glorifikation der Armeegeistlichkeit unter stürmischem Beifall der Nationali-

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