Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 197

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Von so etwas wie Sozialreform, wie Arbeiterschutzgesetzen gab es in dem gesegneten Belgien (in der Hauptsache gibt es auch heute noch) keine Spur. Das erste lächerlich kümmerliche Gesetz über die Arbeitszeit der Frauen und Kinder wurde erst 1889 unter gräßlichsten Geburtswehen des Parlaments zustande gebracht. Die Parlamentarier des Zensuswahlrechts (42 Francs und 32 Centimes jährlich direkte Steuern, keinen Deut weniger!) dachten selbstverständlich nicht im Traume daran, sich um die proletarische Misere zu kümmern. Hatten sie doch alle Hände voll zu tun, um sich wegen der Schul- und Kirchenfragen zu prügeln!

Nun riß aber die Saite. Und es war, wie unser Marx es einst für alle Länder voraussah, wieder eine industrielle Krise, die in der dumpfen Atmosphäre die Geister aufrüttelte. Das Jahr 1886 brachte auch nach Belgien eines der schwersten kapitalistischen Gewitter. Die Fabriken wurden eine nach der anderen geschlossen, in den Kohlengruben wurde nur vier Tage in der Woche gearbeitet, die Löhne wurden fast überall gekürzt, die Arbeitslosigkeit nahm verzweifelten Umfang an.

„Ein furchtbares Elend“, schrieb ein bürgerliches Blatt im Januar, „herrscht in der Borinage. Die Kohle wird nur drei oder vier Tage in der Woche gefördert, und in zahlreichen Gruben ist es untersagt, mehr als 2,50 Francs (2 M) pro Tag zu verdienen.“ Das offizielle „Journal de Bruxelles“ berichtete im März über die Lage der Bergarbeiter: „Man kann sich das Elend gar nicht vorstellen, es ist furchtbar. In einer Familie von acht Personen verdient der Vater, der einzige Ernährer, höchstens 12 bis 13 Francs (ca. 10 M) pro Woche. Und so sind die Löhne im allgemeinen.“

Der Versuch der Unternehmer, diese miserablen Löhne noch um 20, um 25 Prozent zu kürzen, trieb die Verzweiflung auf die Spitze und war die Losung zum plötzlichen Sturme im ganzen Lande.

Die Streiks, die nun überall ausbrachen, die Unruhen und Manifestationen trugen einen rein naturgewaltigen, chaotischen Charakter. Es war dies nur die erste elementare Explosion des seit Jahrzehnten aufgespeicherten Grolls einer zum äußersten getriebenen Masse von Lohnsklaven. Maschinen wurden vernichtet, Fabriken zerstört, Paläste der Kapitalmagnaten angezündet; Belgien sah im Frühjahr 1886 aus wie die schlesischen Weberdistrikte im Jahre 1844.

Aber in Belgien verpuffte die Explosion nicht erfolglos in der Luft, es war bereits eine Macht im Lande, die dem Orkan des Volkszornes Zügel anlegte und eine Richtung gab.

Genau einen Monat nachdem der greise Kats in tiefem Pessimismus seinen wackeren streitbaren Geist aushauchte, am 14. Februar 1886, rich-

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