Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 18

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wie jeder reaktionären Strömung zugänglich, für die nationalistische Demagogie den günstigsten Boden abgab, an sich aber nicht dem cäsaristischen Staatsstreich zu huldigen brauchte noch auch tatsächlich huldigte.

Wir treffen hier endlich auch echte Monarchisten: Vertreter der Bauernschaft in den zurückgebliebensten Gegenden Frankreichs, Aristokraten, die in ruhigen Zeiten durch den Gang der Dinge in der Dritten Republik gezwungen wurden, mit ihr zum großen Teile als Ralliierte offen Frieden zu schließen oder sich wenigstens stillschweigend in die Lage zu fügen, und die nun, durch den Trubel der Krise ermuntert, an der politischen Oberfläche erschienen, ferner ihr Gefolge von royalistischen Klienten, Journalisten und Literaten.

Daß sich diese in sich schwachen und ohnmächtigen Elemente Hand in Hand mit dem Pfaffentum sofort um die bedrängten Generale gruppierten, um sie als den Sturmbock vorwärtszudrängen und die Krise zu eigenen Zwecken auszunutzen, daß dieser Umstand zusammen mit der rebellischen Haltung des kompromittierten Generalstabs dem ganzen Lager einen cäsaristischen Anstrich geben mußte, ist selbstverständlich. Diese von außen hineingetragenen monarchistischen Tendenzen fanden aber materiell gar keinen Anknüpfungspunkt vor. Nicht nur war in keiner der Gesellschaftsklassen eine ernste Bewegung nach dieser Richtung, nicht einmal ein äußerer Mittelpunkt, ein irgendwie ernst zu nehmender Thronprätendent, war vorhanden. Der eine, ein Oberstleutnant der russischen Armee, der in einer Provinzstadt des Zarenreichs sein obskures Garnisonsdasein führt und als einzigen Legitimationstitel sich nicht mehr auf Austerlitz und Jena, sondern auf Sedan und Metz berufen kann. Der andere, eine sich im Ausland herumtreibende Null, deren Anhang, ein paar Hundert verschimmelte Männlein und Weiblein, ihre ganze „Agitation“ darin erschöpfen, daß sie sich alljährlich – wie neulich wieder – zu einem Bankett versammeln, wo sie ihren Hoffnungen auf den „Gang der Entwicklung“ in traditionellen Reden Ausdruck geben.

Worin sich unter solchen Umständen die vereinigte Aktion erschöpfen mußte, das war die Erregung eines Deliriums des nationalen Chauvinismus, eine antisemitische Hatz und eine alles Frühere übertreffende Verherrlichung der Armee. Zu einer ernsten politischen Tat, zum Umsturz der Republik fehlte so ziemlich alles: der innere Zusammenhalt, eine Organisation, ein Aktionsprogramm und vor allem die gesamte innere Entwicklung der sozialen Verhältnisse, die die Monarchie, wie in den früheren Fällen, in ihrem Schoße als fertige Frucht getragen hatte, um von ihr durch den Staatsstreich nur entbunden zu werden. Die Dreyfus-Affäre

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