Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 17

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Frankreichs, dessen Partei bei der letzten Kammerwahl fast eine Million Stimmen auf sich vereinigt hat, eine feste und achtunggebietende Schutzwehr der Republik dar.

Es ist klar, daß in dem so beschaffenen Milieu der Monarchismus zu einer ganz anderen Rolle reduziert ist als der ehemals von ihm gespielten. Das nationalistische Lager in der Dreyfus-Kampagne, das man sich unter dem Einfluß der Kampflosungen der Tagespolitik gewöhnt hat als das Hauptquartier des Staatsstreichs ebenso wie jeden Reaktionär à la Méline, Barthou oder Ribot ohne weiteres als Monarchisten zu betrachten, stellte bei etwas näherem und ruhigerem Zusehen nichts weniger als ein innerlich geschlossenes Ganzes von homogener politischer Beschaffenheit dar. Umgekehrt war dieses Lager vielmehr ein Sammelsurium mannigfaltiger Elemente mit verschiedenartigsten Bestrebungen und Interessen.

Wir sehen hier im Zentrum das kompromittierte hohe Militär, den Generalstab mit seinem Anhang, die zwar, in der Befürchtung, von der republikanischen Zivilgewalt zur Rechenschaft gezogen zu werden, naturgemäß zur Auflehnung gegen diese Gewalt getrieben wurden, im Grunde genommen aber kein begründetes Interesse an der Wiederherstellung der Monarchie haben konnten. Im Gegenteil, erst die Dritte Republik hat die Armee durch allerlei Reformen und Privilegien und durch den wahnsinnigen chauvinistischen Kultus zu jenem Abgott gemacht, der sie nie vorher war. Und die Dreyfus-Affäre hat ja am besten gezeigt, daß das hohe Militär in der Republik ein von seinem Standpunkt geradezu paradiesisches Dasein führte. Man kann ruhig behaupten, daß eine Willkür und Selbstherrlichkeit der militärischen Chefs, wie sie unter den Fittichen der opportunistischen Republik gediehen ist, unter einem monarchischen Regime nicht so leicht denkbar wäre. Eine Sehnsucht nach den straffen Zügeln der Monarchie konnte das Militär selbst also unmöglich im Ernste verspüren. Seine antirepublikanische Haltung ergab sich hier bloß als eine naturgemäße Form der Notwehr von Gaunern, die von der Republik ertappt und entlarvt worden waren.

Wir sehen hier ferner den Klerus, der zwar seit jeher in der Republik auf dem Quivive lebt und nur auf eine Gelegenheit wartet, um sie zu erdrosseln, der zweifellos einen enormen Einfluß auf die öffentliche Meinung ausübt, der aber, selbst aktionsunfähig, nur durch andere wirken, nur den Regisseur und Souffleur, nicht den Schauspieler abgeben kann.

Wir finden in dritter Linie das in Frankreich, dem Lande des Kleingewerbes und des Finanzjudentums, naturgemäß stark entwickelte antisemitische Kleinbürgertum, das, der Agitation gegen die „Dreyfusards“

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