Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 140

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Alleinherrscher auf Erden und im Himmel das Zepter in die Hand gedrückt, als Marx sofort mit dem neugewonnenen Maßstab wieder an seine erste große Frage, an die Rechtsphilosophie, also die gesellschaftlichen Lebensformen, zurückeilte. Wo für Feuerbach die Lösung war, da beginnt für Marx erst die Frage. Wenn Feuerbach den Menschen von dem Spuk seiner eignen Philosophie befreit, so fragt Marx: Wie ist der Mensch als unterdrücktes und mißhandeltes Mitglied der Gesellschaft zu befreien?

Das war schon à priori eine Fragestellung, bei der sich nur der Sozialismus als allumfassende, internationale Lehre, als geschichtliche Theorie, als Wissenschaft zur Antwort ergeben konnte.

Und Marx leitet ab von dem neuen Standpunkte in einer Kaskade funkelnder, sich überstürzender, brausender, dialektischer Schlüsse – ein deduktives Schema des proletarischen Klassenkampfes und Sieges!

„Wo also“, lautet es zum Schluß der Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, „die positive Möglichkeit der deutschen Emanzipation?

Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt ... einer Sphäre endlich, welche sich nicht emanzipieren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emanzipieren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat ... Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der Blitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehn.“[1]

So schrieb Marx im Anfang des Jahres 1844. Wehe ihm! Er hat damit eine Sünde begangen, die ihm von seinen dankbaren Schülern nach mehr als 50 Jahren noch aufs Konto geschrieben werden sollte. Er hat nämlich eine Deduktion des Sozialismus geschaffen, er hat à priori die Notwendigkeit des sozialistischen Sieges und Kampfes vorausgesehen, statt sich einfach an die empirische Tatsache des „Mehrprodukts“ und seiner „Ungerechtigkeit“ zu halten.

Umgekehrt, erst in der Beleuchtung der Deduktion sind ihm alle „empi-

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[1] Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In: Ebenda, S. 390 f.