Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 139

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langen, wundervollen Brief Karls an seinen Vater vom 10. November 1837, der bereits vor einigen Jahren in der „Neuen Zeit“ erschienen ist, jetzt aber erst im Zusammenhang mit dem Ganzen der Marxschen Entwicklung zur vollen Geltung kommt, dann die zum erstenmal hier veröffentlichte Dissertation von Marx, endlich die in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ erschienene Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“. In allen drei Dokumenten sehen wir Marx in verschiedener Form und mit verschiedenem Erfolge nach demselben Problem der Aussöhnung des Bewußtseins mit dem Sein, nach einer monistischen, einheitlichen Auffassung der physischen und geistigen, der moralischen und materiellen Welt suchen. Und es ist klar, daß er sie nicht finden konnte, bis er sie selbst mit entdeckt hatte.

Wir betrachten es als einen besonders glücklichen Umstand vom Standpunkt der späteren Begründung des wissenschaftlichen Sozialismus, daß Marx sich von Anfang an mit dem Recht befaßte und gerade an ihm seine wichtigsten philosophischen Versuche machte. Während die andren Junghegelianer sich fast ausschließlich in dem Gebiete der theologischen Spekulationen verschanzten, also in der abstraktesten Form der Ideologie, pochte Marx von Anfang an instinktiv an die nächste, unmittelbarste ideologische Form des materiellen gesellschaftlichen Lebens – an das Recht. Legt es doch stellenweise so deutlich den in ihm steckenden ökonomischen Kern bloß, daß manchmal auch vom historischen Materialismus sonst nicht angekränkelte Rechtsgelehrte auf eine rein ökonomische Erklärung ganzer Abschnitte der Rechtsgeschichte gestoßen werden, wie der Baseler Professor Arnold in den 60er Jahren in seinen Untersuchungen über das mittelalterliche städtische Eigentum.

Marx beginnt gleich noch als blutjunger Student seine ersten inneren Kämpfe mit der philosophisch-kritischen Beleuchtung der gesamten Rechtssphäre. Selbstverständlich scheitert der grandiose Entwurf an der Unmöglichkeit, die materielle mit der formellen Rechtslehre vom idealistischen Standpunkt zu vereinigen. Marx wendet sich dann enttäuscht der reinen Philosophie zu, und wir sehen ihn in seiner Dissertation dasselbe Problem in der Naturphilosophie zu lösen suchen.

Aber die ungelöste Aufgabe der einheitlichen Erklärung des ganzen Rechtsgebietes läßt in ihm tiefe Spuren zurück. Die Fragen der gesellschaftlichen Formen des Lebens bleiben für ihn das Hauptproblem. Kaum hatte deshalb Feuerbach seinen philosophischen coup dʼétat gemacht und den bis jetzt von seinen eignen Ideen schamlos gemißhandelten Menschen in seiner ganzen Leibhaftigkeit wieder auf den Thron erhoben und ihm als dem

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