Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 138

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Ungerechtigkeit“ der Verteilung als Legitimation der sozialistischen Arbeiterbewegung.

Nun stellt es sich heraus, daß Marx selbst sowohl die Tatsache der Ausbeutung, die er als höchste Ungerechtigkeit empfand, wie auch die französische und englische Arbeiterbewegung in ihrer ursprünglichen Form bereits anfangs der 40er Jahre sehr wohl kannte. Für das erstere legen z. B. seine Ausführungen über den Holzdiebstahl das Zeugnis ab, für das letztere die Belehrungen, die Marx in der „Rheinischen Zeitung“ der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ aus Anlaß ihrer Kontroverse über den Kommunismus gibt. „Daß der Stand, der heute nichts besitzt“, schreibt Marx im Oktober 1842, „am Reichtum der Mittelklassen teilzunehmen verlangt, das ist ein Faktum, welches ohne das Straßburger Reden und trotz dem Augsburger Schweigen in Manchester, Paris und Lyon auf den Straßen jedem sichtbar umherläuft.“[1]

Die Voraussetzungen, die in Konsequenz der Auffassung der heutigen „kritischen Sozialisten“ oder richtiger – um von den Schülern auf die Lehrer zurückzugehen – nach der Auffassung bürgerlicher, in „sozialer Bewegung“ krebsender Professoren ausreichen, um die Arbeiterbewegung zu begründen, haben merkwürdigerweise den größten Theoretiker des Sozialismus noch nicht zum Sozialismus bekehren können. In demselben Aufsatz über den Kommunismus zeigt Marx, daß er noch Ende des Jahres 1842 nicht im geringsten den sozialistischen Bestrebungen huldigte.

„Die ‚Rheinische Zeitung‘, schreibt er als Redakteur des genannten Blattes, „die den kommunistischen Ideen in ihrer jetzigen Gestalt nicht einmal theoretische Wirklichkeit zugestehen, also noch weniger ihre praktische Verwirklichung wünschen oder auch nur für möglich halten kann, wird diese Ideen einer gründlichen Kritik unterwerfen.“[2] Die „empirischen Tatsachen“ also, die den heutigen Flachköpfen zum Zurechtstümpern eines flachen „empirischen“ Sozialismus genügen, vermochten dem Genius zur Schöpfung des wissenschaftlichen Sozialismus nicht auszureichen. Es fehlte dazu der allgemeine zusammenfassende und befruchtende Standpunkt, es fehlte der Granitblock, auf dem das Gebäude des Sozialismus als Wissenschaft errichtet werden sollte. Und zu diesem mußte Marx auf einem andern Wege gelangen, erst nach einer Auseinandersetzung mit dem Hegelschen Idealismus.

Wir besitzen nun drei wichtige Marksteine der inneren Krise, die Marx bis zu der Schöpfung des historischen Materialismus durchmachte: den

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[1] Karl Marx: Der Kommunismus und die Augsburger „Allgemeine Zeitung“. In: Ebenda, S. 106,

[2] Ebenda, S. 106.