Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 80

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/80

gerlicher Klassenstaat ist. Letzteres bezieht sich aber in demselben Maße auf die deutschen Bundesstaaten.

Für Fendrich und Genossen enthält das Budget Badens „zu neun Zehnteln Kulturausgaben“, und es hätte „keinen Sinn, soziale Forderungen an die Regierungen zu stellen und das Budget, das in der Hauptsache kulturelle Forderungen enthalte, abzulehnen“. (Karlsruher „Volksfreund“ vom 27. Februar 1901, Bericht über die Parteikonferenz in Offenburg.) Es wird damit der Versuch gemacht, die innere Politik der deutschen Bundesstaaten als „in der Hauptsache“ über jeden Klassencharakter erhabene Kulturarbeit hinzustellen, die den „sozialen Forderungen“ der Sozialdemokratie entspricht. Nun ist uns bis jetzt keine „soziale Forderung“ unseres Programms bekannt, die von der badischen Regierung erfüllt worden wäre. Was kann also von unserer Landtagsfraktion als solche „kulturellen“ Posten des badischen Budgets im Sinne der Sozialdemokratie betrachtet werden? Offenbar die Gehälter der Bürokratie Badens, auf deren Anstellung die Volksmasse nicht den geringsten Einfluß übt, die Kosten der Polizei, der Gendarmerie, der Gerichte und der Gefängnisse, die zum Schutze des Privateigentums, zur Aufrechterhaltung „der Ordnung“ und zur Ahndung sozialdemokratischer Verbrechen dienen, die Verwaltungskosten der badischen Staatseisenbahnen, die aus der Ausbeutung der Arbeiter und Angestellten ihre Renten abwerfen, die Verwendungen für die Landwirtschaft, die unter dem Vorwand von agrarischen „Kulturzwecken“ zu neun Zehnteln zur Begünstigung des Großgrundbesitzes dienen, endlich die Verwendungen für das Unterrichtswesen, das seinem ganzen Geiste nach vor allem für die besitzenden und begüterten Klassen berechnet ist. Und das alles bestritten aus Mitteln, die zum überwiegenden Teile aus den Taschen der unvermögenden Volksmasse entnommen werden. Mit einem Worte, als Kulturarbeit, deren Unterstützung durch die „sozialen Forderungen“ unserer Partei selbst bedingt wird, erscheint nach Fendrich die ganze Klassenpolitik der badischen Regierung, die sich wie jede andere in ihrer gesamten Tätigkeit als „der verwaltende Ausschuß der herrschenden Bourgeoisie“ bewährt.

Wir sind nicht in der Lage, hier die Tätigkeit unserer badischen Fraktion im Landtag im einzelnen nachzuprüfen. Nach den auf der Konferenz in Offenburg geäußerten Ansichten zu urteilen, wo Fendrich zum Beispiel erklärt hat, ein sozialistisches Endziel gäbe es überhaupt nicht, dürfte das Verhalten der Fendrich und Genossen in der Volksvertretung Badens überhaupt sehr geringe Spuren von Sozialismus an sich haben. Hätten sie aber auch eine noch so entschiedene und streng sozialdemokratische Kritik

Nächste Seite »