Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 621

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Menschen, die den Demonstrationszug bildeten, massenhaft Militärs vertreten; um das an der Spitze des Zuges getragene riesige Banner der Sozialdemokratie bildete eine Gruppe höherer Offiziere mit blankgezogenem Säbel die Ehrenwache; in der lebendigen Kette, die den ganzen Riesenzug entlang von beiden Seiten Spalier bildete, reichten sich in bunter Abwechslung Arbeiter, Studenten, Frauen, Soldaten und Offiziere die Hand. Nicht bloß in den Reihen der „Gemeinen“, auch in Offizierskreisen erhebt der fortschrittliche revolutionäre Teil immer kühner die Stimme gegen die willigen Mordbuben des Zarismus. Das Militär im ganzen, von einer fieberhaften Agitation der Sozialdemokratie in Atem gehalten, wird mit jedem Tage unzuverlässiger, untauglicher als Stütze der zusammen­brechenden Alleinherrschaft.

Damit findet aber eine der wichtigsten taktischen Fragen ihre Lösung, die auch bei uns in Deutschland wie überall den opportunistischen Kalkulatoren des Klassenkampfes arges Kopfzerbrechen bereitet. Wie kann irgendeine Massenaktion der modernen Arbeiterklasse, sei es auch nur eine Reihe größerer Straßendemonstrationen, ein Massenstreik auf Erfolg rechnen, da wir doch auf die starre Wand des Militarismus, auf die stahlblinkenden Bajonette stoßen, gegen die wir, das wehrlose Proletariat, ganz ohnmächtig sind? So pflegen uns diejenigen zuzurufen, die sich eine Massenaktion der Proletarier nicht anders als in dem starren Milieu, in der kalten Atmosphäre des ruhigen parlamentarischen Alltags vorstellen können. Sie vergessen immer und immer wieder, daß eine ernste .Massenaktion des Proletariats selbst nicht anders als in einer revolutionären Situation stattfinden kann, in einer Situation, die bereits die ganze Volksmasse, das ganze Land in Gärung gebracht hat. Ist dem aber so, dann erscheint auch die „starre Wand der Bajonette“ unter einem ganz anderen Gesichtswinkel, denn in den revolutionären Momenten, wo die Sache des kämpfenden Proletariats zur Sache des ganzen arbeitenden Volkes, zur Sache aller Ausgebeuteten und Unterdrückten wird, da erwacht auch im Soldaten der Bürger, der Sohn des Volkes, der Proletarier. Diejenigen, die das heutige Militär als eine unwandelbare feindliche Macht der Revolution des Volkes entgegenstellen, vergessen, daß die Revolution das Militär selbst in ihren Strudel zieht, sie vergessen hinter dem äußeren Kampflärm der Revolution ihre gewaltigste, sozial und historisch wichtigste Seite: das politische Erziehungswerk der Revolution. Und dieses vollzieht sich nicht bloß an der Masse des Proletariats, an breiten Schichten des Bauerntums, des Kleinbürgertums, sondern auch an dem in den „Rock des Königs“ gesteckten Teil der Volksmasse.

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