Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 588

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Ihre Majestät brauchte, wenn Sie wollte, nur mit dem kleinen Finger zu winken, und in friedlichster Weise würde Dero gehorsam-liberaler Diener die Portefeuilles der Herren Trepow und Bulygin übernehmen, einen glänzenden Frieden mit Japan schließen, Rußland mit England aussöhnen, die revoltierende Kanaille, die ja, wie ich noch im Januar schrieb, gar nicht reif zum politischen Leben ist, zur Ruhe bringen, ich würde ...“ Aber Herr Struve verspricht so viel und so Schönes als künftiger Minister Nikolaus’ II., daß man gar nicht alles hier anführen kann.

Übrigens ist das obige Zitat nicht ganz genau. Herr Struve sagt das alles mit ein bißchen anderen Worten: „Theoretisch und abstrakt gesprochen, steht dem nichts im Wege, daß die Revolution eine Regierung bildet in der friedlichsten Weise, in einer ebenso friedlichen und einfachen Weise, wie Herr Loubet gestern Herrn Rouvier an Stelle des Herrn Combes berief oder wie König Eduard VII. morgen Herrn Campbell-Bannerman auffordern wird, Herrn Balfour zu ersetzen. Nikolaus II. kennt ebensogut wie wir, oder wenn er nicht kennt, kann er morgen kennenlernen, die Männer, deren Berufung ans Ruder für Rußland die Schaffung einer starken, populären, autoritätsvollen Regierung bedeuten würde, einer Regierung radikaler Reformen. Man berufe nur in Moskau einen Kongreß von Delegierten der Semstwos ein, analog dem Aprilkongreß, dieser Kongreß wird Nikolaus II. bald die Männer namhaft machen, die sich des Vertrauens des Landes wie einer moralischen Autorität erfreuen. Männer, die nötig sind, um eine starke (unterstrichen bei Herrn Struve) Regierung zu bilden. Mag Nikolaus II. das Programm dieser Männer akzeptieren und ihnen das Staatssteuer anvertrauen. Denn heute braucht Rußland nicht bloß die Freiheit, sondern auch die Bildung einer Regierung, die mit der Freiheit und mit der Ordnung vereinbar ist.“

Außer der Betonung der „starken“ Regierung und der „Ordnung“ ist in dem obigen Erguß namentlich der Vorschlag bemerkenswert, die Regierung der „Revolution“ aus dem Semstwokongreß zu entnehmen! Seit dem Anfang der offenen revolutionären Gärung in Rußland und namentlich seit dem Blutbad in Petersburg[1] ist es ein unaufhörlicher Ruf der Revolutionäre und der oppositionellen Elemente: derjenige nach einer konstituierenden Versammlung aus Erwählten des Volkes in allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen. Es versteht sich für die kämpfende Arbeiterklasse von selbst, daß aus der Revolution nur eine Regierung hervorgehen kann, die von dieser allgemeinen Volksvertretung geschaffen und von ihr unterstützt wird. Nun stellt es sich heraus, daß nach den Herren

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[1] Siehe S. 479, Fußnote 1.