Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 584

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Vergnügen johlenden publico vorführt, und schließlich geht er ebenso unvermittelt zur Kritik der politischen Abwehrstreiks über, die gleichfalls kurzerhand in den Orkus geworfen werden unter plattesten demagogischen Rednerkniffen, und der Kongreß „begleitet fast jeden Satz des Redners bis zum Schluß durch Zustimmungsrufe“, wie der „Vorwärts“-Bericht bemerkt! Noch bemerkenswerter ist die Argumentation des zweiten Generalstreikgegners, Leimpeters. Dieser erklärt frank und frei: „Den Unterschied zwischen anarchistischem Generalstreik und politischem Massenstreik kann ich nicht machen.“[1] Und er zieht daraus nicht den einzig richtigen Schluß, daß alsdann die weitere Erörterung der Frage notwendig und jede Beschlußfassung verfrüht sei, sondern schließt gerade aus seiner Unkenntnis und Urteilsunfähigkeit direkt auf die Verwerflichkeit aller Sorten des Generalstreiks zusammen.

Und auch er wird für ein paar Witze über den unglücklichen, zum soundsovielten Male totgeschossenen Popanz des anarchistischen Generalstreiks mit „stürmischer Heiterkeit“ belohnt, einer Heiterkeit, die auf diesem Arbeiterkongreß unheimlich lebhaft an die Heiterkeitsausbrüche eines hohen bürgerlichen Hauses bei Debatten über den sozialistischen „Zukunftsstaat“ erinnerte.

Das Triumvirat ergänzte würdig Robert Schmidt, der seinerseits die Erklärung machte: „Die Erfahrung hat uns gelehrt, daß irgendwelcher dauernder Nutzen aus irgendwelchen großen Kämpfen dieser Art für die Arbeiterklasse nicht hervorgegangen ist, wohl aber ist die Reaktion dadurch gestärkt.“[2] „Die Erfahrung“, wobei die einzigen bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiete der politischen Massenstreiks, die wirklich gemacht worden sind, der belgische Generalstreik vom Jahre 1893 und die jüngsten Generalstreiks in Rußland, geradezu einen glänzenden Erfolg aufweisen! (Der jüngste gescheiterte Generalstreik in Belgien vom April 1902[3] kann hierbei offenbar nicht in Betracht gezogen werden, weil er höchstens eine Erfahrung darüber liefert, wie man einem politischen Generalstreik das Genick brechen kann, und nicht, wie man ihn durchführt.)

Daß diese Tatsachen Genossen wie Robert Schmidt, Bömelburg, Leimpeters, die zu den tätigsten führenden Gewerkschaftlern gehören, unbekannt geblieben sind, ist unmöglich anzunehmen. Die Tatsachen, die ihrer Auffassung so kraß widersprechen, kennen sie wohl. Was ihnen aber

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[1] Protokoll der Verhandlungen des fünften Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands, abgehalten zu Köln a. Rh. von, 22. bis 27. Mai 1905. S. 223.

[2] Ebenda, S. 224.

[3] Siehe S. 201, Fußnote 1.