Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 536

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auch nicht nötig, durch eine gewaltsame Konstruktion das einigende Grundelement seiner Dramen in den verschiedenen Erscheinungsformen der geschichtlichen Revolution zu suchen. Schiller war vor allem ein echter Dramatiker größten Stils, als solcher aber brauchte und suchte er gewaltige Konflikte, gigantische Kräfte, Massenwirkungen, und er fand seine Stoffe in den Kämpfen der Geschichte, nicht weil und insofern sie revolutionär waren, sondern weil sie den tragischen Konflikt in seiner höchsten Potenz und Wirkung verkörpern. Mehring hat dieses ganze Problem in zwei Sätzen gelöst, indem er sagt: „Als Dichter brauchte er den historischen Stoff“ und „als Dramatiker war Schiller auch ein großer Historiker“.[1] Die Große Französische Revolution, die ihn gerade als Revolution abstieß, würde sicher, wenn er sie aus der Perspektive eines oder zweier Jahrhunderte hätte sehen können, als gewaltiges Schauspiel, als eine Riesenschlacht des historischen Geistes seine dramatische Ader gepackt haben, und er hätte ihr dann wahrscheinlich als Dramatiker, durch den einfachen Künstlerinstinkt geleitet, ebensoviel Gerechtigkeit widerfahren lassen wie der historischen Rolle des Friedländers oder dem Unabhängigkeitskampf der schweizerischen Bauerndemokratie, obwohl er mit der bürgerlichen Revolution geistig genausowenig zu tun hatte wie Wallenstein oder Wilhelm Tell.

Um Schiller und sein Werk aus seiner psychischen Eigenart, aus der besonderen Mischung des philosophischen und des dichterischen Elements, seine Philosophie aber in ihren Wechselbeziehungen mit seinem politisch-geistigen Milieu zu erfassen, dazu findet der Leser in Mehrings Studie Fingerzeige und Anregungen auf Schritt und Tritt. Die Mehringsche Arbeit wird deshalb gerade den wichtigsten Dienst dem Lesepublikum erweisen, auf den es jetzt in der Parteiliteratur vor allem ankommt: Sie wird auf Schritt und Tritt zum Nachdenken und zum weiteren Lernen lebhaft anregen. Und dadurch bringt Mehring, indem er den Leser vor kritiklosem Nachbeten und vor jeglichem Kultus Schiller gegenüber bewahrt, zugleich die wirkliche erhabene Schönheit seines großen Lebenswerks der deutschen Arbeiterschaft nur um so plastischer vor die Augen.

Die Neue Zeit (Stuttgart),

23. Jg. 1904/05, Zweiter Band, S. 163–165.

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[1] Franz Mehring: Schiller. Ein Lebensbild far deutsche Arbeiter. In: Gesammelte Schriften, Bd. 10, Berlin 1961, S. 174.