was die revolutionäre Arbeiterschaft aus eigener Weltanschauung, aus eigenem Streben und Empfinden in die Schillerschen Dichtungen hineinlegte. Es hat hier ein eigenartiger Assimilierungsprozeß stattgefunden, in dem sich das Arbeiterpublikum nicht den Schiller als ein geistiges Ganzes, so wie er in Wirklichkeit war, aneignete, sondern sein geistiges Werk zerpflückte und es unbewußt in der eigenen revolutionären Gedanken- und Empfindungswelt umschmolz.
Doch über diese Phase des politischen Wachstums, wo die gärende Begeisterung, das halbdunkle Streben zu den lichten Höhen des „Idealen“ den Anbruch der geistigen Wiedergeburt der deutschen Arbeiterschaft ankündigte, sind wir beträchtlich hinaus. Was die Arbeiterschaft heute vor allem braucht, ist: alle Erscheinungen der politischen und auch der ästhetischen Kultur in ihren klaren, streng objektiven historisch-sozialen Zusammenhängen als Glieder jener allgemeinen sozialen Entwicklung aufzufassen, deren mächtigste Triebfeder heutzutage ihr eigener revolutionärer Klassenkampf ist. Auch Schiller kann und muß die deutsche Arbeiterschaft heute ganz wissenschaftlich-objektiv als einer mächtigen Erscheinung der bürgerlichen Kultur gegenüberstehen, statt in ihm subjektiv aufzugehen oder richtiger ihn in eigener Weltanschauung aufzulösen.
So war denn gerade jetzt, aus Anlaß der hundertjährigen Schiller-Feier, offenbar der passendste Moment gegeben, die gegenseitige Stellung Schillers zur Arbeiterklasse, seine Dichtung vom Standpunkt der sozialdemokratischen Gedankenwelt einer Revision zu unterziehen.
Jedoch.gerade diejenigen Kreise, die jederzeit bereit sind, an allen möglichen Revisionen der „wunden Punkte“ der Marxschen Lehre tapfer mitzumachen, zeigen nicht die geringste Lust, die landläufigen kritiklosen Urteile über Schiller zu revidieren. Es ist allerdings viel bequemer, Schiller nach abgebrauchtem Schema als den großen, von der Bourgeoisie verleugneten Apostel der bürgerlichen Revolution für das Proletariat in Anspruch zu nehmen, was jedoch höchstens auf eine gleichmäßige Verständnislosigkeit für den historischen Gehalt der Märzrevolution wie der Schillerschen Dichtung deutet.
Das Feiern Schillers als eines revolutionären Dichters par excellence verrät schon an sich einen Rückfall von der durch die Marxsche Lehre, durch den dialektischen Geschichtsmaterialismus vertieften und geadelten Auffassung vom „Revolutionären“ in jene spießbürgerliche Auffassung, die in jeder Auflehnung gegen die bestehende gesetzliche Ordnung, also in der äußeren Erscheinung der Auflehnung eine „Revolution“ sieht, ungeachtet ihrer inneren Tendenz, ihres sozialen Gehaltes. Nur von diesem