Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 508

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und aufgeklärte moderne Arbeiterklasse vorgefunden hat, die imstande ist, die revolutionären Konsequenzen des Krieges zum erstenmal in der Geschichte Rußlands zur revolutionären Tat zu prägen.

Und erst auf dem Fond dieser sozialdemokratischen Arbeiterbewegung bekamen liberale Regungen und demokratische Strömungen der Intelligenz, des fortschrittlichen Adels Blut und Leben, Bedeutung und Nachdruck. Die proletarische Revolution kam gerade im richtigen Moment, nämlich just als ihre momentanen Vorläufer: die liberale Semstwo-Aktion[1] und die demokratischen Intelligenzbankette in Rußland, an ihrer eigenen Machtlosigkeit zu zerschellen drohten, als in der ganzen oppositionellen Bewegung plötzlich ein bedenklicher toter Punkt eingetreten war, den die Reaktion mit der sicheren Spürnase der Herrschenden sofort herausgefühlt hatte und sich eben anschickte, mit festerem Fuße aufzutreten. Der muskulöse proletarische Massenarm hat den Karren mit einem Ruck vorwärts geschoben und ihm eine solche Geschwindigkeit beigebracht, daß er nicht eher zur Ruhe kommen kann und wird, als bis der Absolutismus unter seinen Rädern zermalmt liegt.

Auch im Zarenreich ist die Sozialdemokratie nicht diejenige, die erntet, wo andere gesät haben, vielmehr gehört ihr die revolutionäre Aussaat mitsamt der Riesenarbeit der Urbarmachung des proletarischen Bodens. Die Ernte aber gehört allen fortschrittlichen Elementen der bürgerlichen Gesellschaft und nicht zuletzt – der internationalen Sozialdemokratie.

Vorwärts (Berlin),

I: Nr. 34 vom 9. Februar 1905,

II: Nr. 35 vom 10. Februar 1905.

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[1] Unter dem Einfluß der Mißerfolge der zaristischen Regierung im Krieg gegen Japan und der wachsenden Unzufriedenheit der Volksmassen setzte in der Zeit von August 1904 bis Januar 1905 eine Belebung der konstitutionellen Bewegung der liberalen Bourgeoisie ein. Während dieser „Semstwokampagne“ wurde den Semstwovertretungen die Durchführung von Beratungen, Versammlungen, Banketten und Kongressen von den zaristischen Behörden genehmigt.