Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 468

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-2/seite/468

Mehrwerts bei den Physiokraten sich mit einer ganz rohen Werttheorie verträgt, die den Wert grob-materialistisch als Naturstoff auffaßt. Erst durch das Zusammentreffen der ausgebildeten Arbeitswerttheorie mit der aus dem Produktionsprozeß abgeleiteten Erklärung des Mehrwerts entsteht jene abgerundete Lehre, die alle Probleme der kapitalistischen Wirtschaft auflöst. Warum nun derjenige Knotenpunkt, in dem die Werttheorie mit der Erklärung des Mehrwerts wissenschaftlich zusammentrifft, nicht mehr auf dem Pfade der bürgerlichen Ökonomie gefunden werden konnte, vielmehr selbst den Lebensknoten dieser Ökonomie bildet, den nur Marx durchhauen konnte, das findet in jedem einzelnen Falle im vorliegenden Marxschen Buche seine Erklärung.

Wenn einer von den drei selbständigen theoretischen Anhängen der Geschichte das bezeichnete Problem der „produktiven Arbeit“ behandelt, so befassen sich die beiden anderen in verschiedener Form mit der Zirkulation und Reproduktion des Kapitals. Kautsky entschuldigt sich gleichsam in der Vorrede dafür, daß er hier nicht Ausführungen ausgeschaltet habe, die eigentlich Wiederholungen desjenigen darstellen, was Marx bereits in seinen anderen ökonomischen Werken behandelt. In der Tat ist dasselbe Problem der Erklärung des Quesnayschen Tableau économique in dem von Marx selbst bearbeiteten nationalökonomischen Kapitel des Engelsschen „Anti-Dühring“ mit großer Kürze und Einfachheit behandelt; desgleichen findet sich das Problem der Auflösung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts in Arbeitslohn und Revenue bereits im zweiten Band des „Kapitals“, und zwar unvergleichlich reifer und präziser dargestellt. Allein, wenn wir Kautsky für etwas zu Dank verpflichtet sind, so ist es ganz besonders für die sorgfältige Sichtung und Veröffentlichung dieses großen zweiten Anhanges im vorliegenden Bande.

Nicht bloß, daß wir hier diejenige Partie der Marxschen ökonomischen Lehre in ihrem Entstehen verfolgen können, die zu den wichtigsten und bis jetzt am wenigsten gewürdigten gehört. Der ganze Anhang ist, gerade weil er uns nicht die fertigen Resultate, sondern den Prozeß der Marxschen Forschung selbst vor die Augen führt, ein Muster der theoretisch-ökonomischen Analyse, wie sie von der bürgerlichen Nationalökonomie weder vor Marx noch nach ihm je angewendet worden ist. Daß die deutsche „historische Schule“ an Stelle einer Analyse die bloße Deskription betreibt, ergibt sich schon logisch aus ihrem „historischen“ Beruf, die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der kapitalistischen Wirtschaft zu verdecken. Ebenso selbstverständlich ist es, daß die früheren Vulgärökonomen, deren Methode darin bestand, die sozialen Vorgänge nicht in ihrem

Nächste Seite »