Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 465

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der heutigen kapitalistischen Produktionsweise und der auf ihr beruhenden Aneignungsweise bloß, enthüllte er den Kristallkern, um den die ganze heutige Gesellschaftsordnung sich angesetzt bat.“[1] [Hervorhebung – R. L.] Wenn indes die umfassende Bedeutung dieser Tatsache in allen ihren Konsequenzen für die kapitalistische Wirtschaft noch aus den bisher veröffentlichten Untersuchungen Marxens – aus „Zur Kritik [der Politischen Ökonomie]“, aus dem „Kapital“ – nicht deutlich und klar genug hervorgetreten sein sollte, dann trägt gerade das jetzt erschienene Buch in vollkommenem Maße dazu bei. Nachdem Marx nämlich im ersten Teil des vorliegenden Bandes die verschiedenen bürgerlichen Konzeptionen über die Entstehung des Mehrwerts untersucht, gibt er im zweiten Teile eine kritisch-historische Analyse des Begriffs von der „produktiven Arbeit“. Und hier entfaltet sich vor dem Leser fortschreitend die Bedeutung des Mehrwerts aus einer fragmentarischen Einzelerscheinung, aus einem Element der Wirtschaft zur zentralen Triebfeder des ganzen sozialen Mechanismus.

Was ist „produktive Arbeit“? Für den Vulgärökonomen eine reine Definitionsfrage wie alle Grundbegriffe der Nationalökonomie. Ist doch das Arbeiten mit Definitionen die erprobte Methode, die es dem Ökonomen gestattet, nach einem höchst wissenschaftlich schillernden Prozeß der Untersuchung an ihrem Schluß genau dieselbe Portion Weisheit glücklich herauszufischen, die er selbst in ihrem Anfang hineingeschmuggelt hat. Ein amüsantes Beispiel dieses harmlosen Spieles, das auf dem Wege eigener ausgeklügelter Definitionen hinter das Geheimnis einer wirtschaftlichen Erscheinung kommen will, bieten ja in unserer Zeit die Untersuchungen über die Kartelle, die wohl ein gutes Dutzend Definitionen von beliebiger Länge und für jeden Geschmack – freilich wenig darüber hinaus – produziert haben.

Auch die Frage nach der „Produktivität der Arbeit“ ist für den bürgerlichen Ökonomen lediglich Geschmacksache. Ob man die Arbeit „produktiv“ nennen soll, je nachdem sie Waren oder materielle Güter überhaupt oder auch, noch allgemeiner, „nützliche Dienste“ leistet, ob wir die Arbeit des Schusters, des Seiltänzers und des Reichskanzlers gleichmäßig „produktiv“ nennen oder nur einzelne Kategorien davon mit diesem schmeichelhaften Titel auszeichnen sollen, das ist ein Streitpunkt der bürgerlichen Ökonomie, der ebenso alt ist wie diese Ökonomie selbst und an dessen Lösung um so mehr Scharfsinn der „Gelehrten“ verwendet wurde,

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[1] Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring). In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke. Bd. 20. S. 190.