Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 457

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„Abgesehen von Beweggründen, die sich nicht für die Öffentlichkeit eignen, lassen wir uns dabei von folgenden Gesichtspunkten leiten:

Wir erachten es als unsere Pflicht, den gegenwärtigen Russisch-Japanischen Krieg[1] zur Potenzierung des revolutionären Kampfes gegen den Absolutismus auszunutzen. Unsere sozialdemokratische Überzeugung verpflichtet uns auch, jede wirklich revolutionäre und sogar jede wirklich oppositionelle Bewegung zu unterstützen.

Allein, die Hoffnung, eine fruchtbare politische Aktion vermittelst der vorgeschlagenen Konferenz hervorzurufen, erscheint uns als unrealisierbar, dit die Elemente, die auf dieser Konferenz vertreten sein sollen, sowohl in bezug auf ihre politische Grundauffassung wie auch auf ihre Kampfmethoden zu sehr auseinandergehen. Obendrein ist manchem dieser Elemente der Standpunkt des proletarischen Klassenkampfes so fremd, daß sie infolgedessen nicht frei von gewissem politischem Abenteurertum sind, in der Art von Spekulationen auf den Sieg der bürgerlichen japanischen Regierung, Spekulationen, die von unserem sozialdemokratischen Standpunkt ganz unzulässig sind. Der gegenwärtige Krieg erscheint uns vielmehr in allen Fällen als höchst verhängnisvoll für die Interessen der Volksmassen, ob er mit einem Siege oder einer Niederlage des Absolutismus endet.

Wir sind denn auch der Überzeugung, daß eine ersprießliche revolutionäre Aktion in unseren Verhältnissen nur auf dem Boden des Klassenkampfes des ohne Unterschied der Nationalität in Reih und Glied zusammengeschlossenen Proletariats des ganzen russischen Reiches möglich ist; eines Kampfes, dessen unmittelbare Aufgabe, ganz in Übereinstimmung mit dem sozialistischen Proletariat Japans, die baldmöglichste Einstellung des verbrecherischen gegenwärtigen Krieges ist.“

Was nun vor allem die tatsächliche Seite der Konferenz betrifft, so mußte in der Tat schon der Umstand befremdend wirken, daß als Einberuferin der Konferenz eine ganz unbekannte bürgerliche finnländische „Revolutionäre Partei“ auftrat, während ihr z. B. die finnländische Arbeiterpartei fernblieb und, wenn wir nicht irren, gar nicht zur Teilnahme aufgefordert wurde.

Daß ferner bei dem künstlichen Zusammenschließen von ganz verschiedenartigen Elementen nichts herausspringt als eine kurz andauernde Überkleisterung der vorhandenen Gegensätze, bewies überraschend schnell der

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[1] Im Januar 1904 hatte Japan Krieg gegen Rußland um die Vorherrschaft im Fernen Osten begonnen. Die schwere Niederlage der russischen Truppen im Jahre 1905 schwächte den Zarismus und verschärfte die revolutionäre Krise in Rußland.