Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 415

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im katholischen Haus zu Frankfurt soeben geborene, bleiben deshalb naturgemäß Eintagsfliegen, und mögen sie sich des Segens sämtlicher katholischer und evangelischer Hohenpriester des Kapitals mitsamt Bürgertum, Junkertum, Kaiser und Reich erfreuen.

Es war lediglich der Gegensatz zur Sozialdemokratie, das Antisozialistische, das die gemischte Gesellschaft der Giesberts, Bärn, Kloß und Motz, der gewandten katholischen Demagogen, der plumpen evangelischen Byzantiner und der antisemitischen Jünglinge vom Handlungsgehilfenverband zusammenbrachte. Aber die Negation einer Weltanschauung ist selbst noch keine Weltanschauung. Es gab auch keine einzige Frage, in der ein halbwegs konsequenter, einheitlicher Gesichtspunkt sich in der Versammlung durchgerungen hätte. Und als die zusammengetrommelten Antisozialisten der verschiedenen Observanzen auseinandergingen, waren sie über Mittel und Wege, Aufgaben und Ursachen der Arbeiterbewegung, über das A und O ihrer eigenen Lage genauso unklar und uneinig, wie sie gekommen waren.

Und so wird der Frankfurter Kongreß in der Geschichte der Arbeiterbewegung eine Episode bleiben. Eine klägliche und widerliche Episode freilich.

Ist schon jede bürgerliche „Interessenvertretung“ eine Erscheinung von zweifelhafter Anmut und gehört schon eine starke Dosis freisinnigen Geschmacks dazu, um Gebilde wie den Zentralverband der Industrieritter oder den ostelbischen Junkerbund, der den Thron und Altar stützt „und beträchtlich riecht nach Mist“, für Erfordernisse des öffentlichen Wohles zu halten, so wirkt die brutale Beutepolitik dieser Organe in großem Sinne dadurch wenigstens versöhnend, daß sie den entsprechenden Ausdruck der tatsächlichen Interessen der entsprechenden Klassen bildet, wobei es nicht ihre Schuld, sondern eine Fügung der Geschichte ist, daß diese Interessen selbst nicht um ein Jota besser „riechen“ als ihre berufene Vertretung. Aber unendlich tiefer steht eine „Arbeitervertretung“, die aus der Maulwurfsperspektive ihrer platten und platt aufgefaßten Tagesinteressen sich dem großen Befreiungszug ihrer eigenen Klasse entgegenwirft und sich zur Nutznießerin des Verrats an der eigenen historischen Aufgabe konstituieren will.

Nichts Kläglicheres und Verächtlicheres als das Schauspiel einer Schar von Sklaven, die sich freiwillig zu Schutztruppen ihrer Herren gegen kämpfende Leidensgefährten formieren, die freiwillig mit fröhlichem Kettengeklirr den Tanz nach der Musik ihrer Treiber vollführen.

Wenn etwas von dieser Episode als positiver Gewinn für den Be-

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