Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 330

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scheidenden Einfluß auf das Schicksal des Sozialismus ausüben wie unter den besonderen Bedingungen des Zarentums.

Die Taktik des „Sprunges“ in die soziale Revolution auf geradem Wege mußte vor allem die politische Physiognomie einer Partei fatal beeinflussen, die im Rahmen eines Staates mit absolut-despotischen Regierungsformen handelte.

Deshalb läßt sich auch der Einfluß des russischen Blanquismus auf die polnischen Sozialisten Schritt für Schritt in der allmählichen Änderung ihrer politischen Anschauungen am auffallendsten konstatieren.

Um die Wahrheit zu sagen, ist bereits das im September 1882 verkündete offizielle Programm der Partei „Proletariat“ bedeutend vom Standpunkt des Artikels von Waryński im „Przedswit“, Nr. 3/4, sowie des Aufrufs an die russischen Genossen entfernt. Nachdem dieses Dokument in seinem allgemeinen Teil – wie wir bereits am Anfang bemerkten – die sozialistische Zukunft Polens auf den Boden des wissenschaftlichen Sozialismus, auf die Prinzipien des Klassenkampfes und des historischen Materialismus stützt, legt es im folgenden das eigentliche Programm dar, dessen Charakter gar nicht leicht zu bestimmen ist. Wir sehen hier drei gleichgeordnete Teile, und zwar die Forderungen der Partei „in ökonomischer Hinsicht“, „auf politischem Gebiet“ und „im Bereich des moralischen Lebens“.[1] Wird dieser letzte Teil außer acht gelassen, da er in praktischer Hinsicht bedeutungsloser ist, so fällt hier auf, daß in den ersten beiden Teilen einerseits Forderungen als Koordinaten zusammengestellt worden sind, die den Inhalt des sozialistischen Umsturzes darstellen: „1) Der Boden und die Arbeitsinstrumente sollen aus der Hand einzelner in das Gemeineigentum der Arbeitenden, in das Eigentum des sozialistischen Staates übergehen, 2) die Lohnarbeit soll in Gemeinschaftsarbeit verwandelt werden“ usw. – andererseits aber politische Forderungen, die auf den ersten Blick den Inhalt parlamentarisch-demokratischer Institutionen darstellen, die auf einen bürgerlichen Staat berechnet sind: „1) vollkommene Autonomie der politischen Gruppen, 2) Teilnahme aller an der Gesetzgebung, 3) Wählbarkeit aller Beamten, 4) völlige Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlungen, der Koalition etc. etc., 5) völlige Gleichberechtigung der Frauen, 6) völlige Gleichberechtigung der Konfessionen und Nationalitäten, 7) internationale Solidarität als Garantie des allgemeinen Friedens.“

Es ist unmöglich, mit einigen Worten zu charakterisieren, welcher Kategorie dieses Programm eigentlich angehört. Nach näherer Überlegung ist eine Erklärung auf zweierlei Weise möglich. Die hier aufgezählten politi-

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[1] Siehe Z Pola Walki, S. 30 f.; Przedświt, Nr. 4 vom Oktober 1882. [Fußnote im Original]