Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 260

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den. Nur insofern die Zentralverbände von ihrer ausgesprochenen Klassenkampfstellung in dieser oder jener Frage abgehen, vermag eine Verständigung mit den freisinnigen oder christlichen Vereinen erzielt werden.

Sieht man davon ab, weist man Konzessionen und Kompromisse von vorneherein zurück, dann müssen sich Beratungen mit den gegnerischen Arbeiterorganisationen in plan-, zweck- und endlose Auseinandersetzungen verwandeln, die ebenso unfruchtbar und demoralisierend wirken würden wie die internationalen Beratungen der Sozialisten mit Anarchisten. Wie hier in der Politik trotz des in allgemeiner Form ganz gleichlautenden Endziels jede Verständigung ausgeschlossen ist, so ist auch die gemeinsame gewerkschaftliche Aktion aller Arbeiterorganisationen ohne Unterschied des Charakters und der Basis eine Utopie.

Freilich handelt es sich für die Anhänger der „Sammlungspolitik“ darum, die unklaren, unbewußten Arbeitermassen, die in den gegnerischen Organisationen irregeführt werden, über den wirtschaftlichen Klassenkampf aufzuklären und sie zu uns heranzuziehen. Allein gerade von diesem Standpunkte hieße es unseres Erachtens die Sache von einem ganz falschen Ende anfassen, wollte man die verdummten Arbeiter durch aktive Teilnahme an den internationalen Kongressen erziehen.

Die internationalen Gewerkschaftskongresse zeigen, wie jeder einzelne davon ein Beweis ist, selbst noch in so hohem Maße die Konfusion in wichtigsten Fragen, die internationale gewerkschaftliche Aktion ist noch so wenig in sich gefestigt, daß sie sozusagen als erste Erziehungsschule für irregeführte und konfuse Arbeiter nur noch mehr verwirrend wirken kann. Und umgekehrt. – Gerade hier, wo die deutschen Zentralverbände mit aller Kraft die klare und scharfe Politik der modernen Arbeiterbewegung in die Gewerkschaften aller Länder erst einzuführen berufen sind, ist die Mitarbeiterschaft freisinnig oder pfäffisch abgerichteter Organisationen höchst verkehrt. Sowohl die Rückwirkung der internationalen Kongresse auf die gegnerischen Vereine wie diese auf jene muß den eigenen Absichten der „Sammlungspolitiker“ direkt zuwiderlaufen.

Und endlich noch eine unabweisbare Konsequenz: Läßt man die Hirsch-Dunckerschen und die Christlichen an internationalen Gewerkschaftskongressen teilnehmen, dann haben sie vollen Anspruch darauf, auch auf den nationalen Verbandstagen unserer Gewerkschaften mit Sitz und Stimme vertreten zu sein. Wenn der deutsche Textilarbeiterverband in Zürich mit dem freisinnigen Gewerkverein gemeinsam beraten kann, so kann er es ebensogut in Berlin und in Stuttgart. Es genügt aber, diese

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