Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 215

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den nächsten Wahlen tatsächlich erreicht werden konnte. Ist aber die Hoffnung auf die Neuwahlen unter dem heutigen Wahlsystem eitel, dann ist wiederum die heutige Begeisterung der Sozialisten für diese Losung unbegreiflich.

Alle diese Widersprüche erscheinen unlösbar, solange man die sozialistische Taktik in der belgischen Kampagne an und für sich analysiert, sie können hingegen sofort mit größter Einfachheit erklärt werden, sobald man das sozialistische Lager in seiner Verbindung mit dem liberalen betrachtet.

Die Liberalen hatten vor allem schon das Programm der Sozialisten im jüngsten Kampfe bestimmt. Auf ihr Geheiß hatte nämlich die Arbeiterpartei auf das Frauenstimmrecht verzichten, dafür die Proportionalwahl[1] als Verfassungsklausel hinnehmen müssen.

Die Liberalen hatten ferner den Sozialisten auch die Mittel des Kampfes diktiert, indem sie gegen den Generalstreik vor dessen Ausbruch eiferten, indem sie ihm, nachdem er ausgebrochen war, die gesetzlichen Schranken aufnötigten, indem sie zuerst die Losung der Kammerauflösung ausgaben, den König als den höchsten Schiedsrichter anriefen, endlich zuerst entgegen dem Beschluß des sozialistischen Parteivorstandes vom 18. April am 19. in ihrer Parteisitzung die Einstellung des Generalstreiks beschlossen. Den sozialistischen Führern fiel nur als Aufgabe zu, jeweilig die von ihren Alliierten ausgegebene Parole der Arbeiterschaft zu übermitteln und zu dem liberalen Texte die nötige agitatorische Musik zu machen. Und schließlich auch den letzten liberalen Beschluß führten die Sozialisten gleich am anderen Tage, am 20., aus, indem sie ihre Truppen nach Hause schickten.

So erscheinen in der ganzen Kampagne die mit den Sozialisten alliierten Liberalen als die eigentlichen Führer, die Sozialisten nur als ihre gehorsamen Willensvollstrecker und die Arbeiterschaft als eine passive Masse, die vermittelst der Sozialisten von der Bourgeoisie an der Leine geschleppt wurde.

Aus ihrer Mittelstellung zwischen der zum Kampfe vorwärtsstürmenden Arbeitermasse und der sie mit allen Mitteln zurückhaltenden liberalen Bourgeoisie erklärt sich die widerspruchsvolle und zaghafte Haltung unserer belgischen Parteiführer.

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[1] Beim Proportionalwahlsystem wird die Zahl der Abgeordneten einer Partei aus dem Verhältnis der für sie abgegebenen Stimmen zu den insgesamt abgegebenen ermittelt.