Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 438

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aufzulösen. So entstehen die historisch wohlbegründeten und bestimmten politischen Zwecken vortrefflich angepaßten „autonomistischen“ und dezentralistischen Tendenzen des modernen Opportunismus, die somit nicht aus der angeborenen Liederlichkeit und Waschlappigkeit des „Intellektuellen“, wie Lenin annimmt, sondern aus den Bedürfnissen des bürgerlichen Parlamentariers, nicht aus der Psychologie des. Akademikers, sondern aus der Politik des Opportunisten zu erklären sind.

All diese Verhältnisse sehen aber in dem absolutistischen Rußland bedeutend anders aus, wo der Opportunismus in der Arbeiterbewegung überhaupt nicht ein Produkt des starken Wachstums der Sozialdemokratie, der Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaft, wie im Westen, sondern, umgekehrt, ihrer politischen Zurückgebliebenheit ist.

Die russische Intelligenz, aus der sich der sozialistische Akademiker rekrutiert, hat begreiflicherweise einen viel unbestimmteren Klassencharakter, ist viel mehr deklassiert im genauen Sinne des Wortes als die westeuropäische Intelligenz. Daraus ergibt sich zwar – im Verein mit der Jugendlichkeit der proletarischen Bewegung in Rußland – im allgemeinen ein viel weiterer Spielraum für theoretische Haltlosigkeit und opportunistisches Herumvagieren, das sich bald in einer gänzlichen Negierung der politischen Seite der Arbeiterbewegung, bald in dem entgegengesetzten Glauben an den alleinseligmachenden Terror verläuft, um schließlich auf den Morästen des Liberalismus politisch oder des kantischen Idealismus „philosophisch“ auszuruhen.

Allein für die spezifische aktive Tendenz zur Desorganisation fehlt dem russischen sozialdemokratischen Akademiker unseres Erachtens nicht nur der positive Anhaltspunkt im bürgerlichen Parlamentarismus, sondern auch das entsprechende sozialpsychische Milieu. Der moderne westeuropäische Literat, der sich dem Kultus seines angeblichen „Ich“ widmet und diese „Herrenmenschenmoral“ auch in die sozialistische Kampf- und Gedankenwelt verschleppt, ist der Typus nicht der bürgerlichen Intelligenz überhaupt, sondern einer bestimmten Phase ihrer Existenz, nämlich er ist das Produkt einer dekadenten, verfaulten, im schlimmen Zirkel ihrer Klassenherrschaft bereits festgerannten Bourgeoisie. Die utopischen und opportunistischen Schrullen des russischen sozialistischen Akademikers neigen hingegen in erklärlicher Weise eher dazu, die umgekehrte theoretische Gestalt der Selbstentäußerung, der Selbstgeißelung anzunehmen. War doch das einstige „Ins-Volk-Gehen“, das heißt der obligatorische Mummenschanz des Akademikers als Bauer, bei den alten „Volkstümlern“ gerade eine verzweifelte Erfindung desselben Akademikers, ebenso wie neuerdings der

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