Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 77

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am letzten Ende nur für die Arbeiterschaft da, denn was wäre unser Handel und unsre Industrie ohne den Bezug billiger Rohstoffe aus den Kolonien.

Und als die letzten Tage im Reichstage der neue Vertrag mit Frankreich[1] untersucht wurde, da erhob sich unter anderen auch Pfarrer Naumann[2], um sein Bedauern darüber auszusprechen, daß die deutsche Regierung auf Erwerbungen verzichtet habe und nicht der Ansiedlung deutscher Arbeiter nähergetreten sei. Für hungernde deutsche Proletarier sollte in Afrika etwas gefunden werden. Wie reimt sich das mit der Tatsache, daß in Deutschland selbst der Kapitalismus über 11/2 Millionen ausländische Arbeiter als Schmutzkonkurrenten ins Land schleppt?

Man sagt weiter, wir brauchten die Kolonien wegen einiger Rohstoffe, die wir billiger kriegen können, und wer profitiere mehr an einem Aufschwung der Industrie als der begehrliche deutsche Arbeiter. Würden wir wirklich einen Nutzen haben, wenn die Herren Mannesmann, Krupp usw. billiges Eisen beziehen würden? Nun, wir haben mitten in Deutschland reiche Kohle- und Erzlager, und all dieser Reichtum ist in der Hand dieser Herren. Haben wir vielleicht billige Kohle in Deutschland? Diesen Reichtum brauchen die Herren, um durch ihre Kartellpolitik eine unverschämte Teuerung hervorzurufen. Und endlich heißt es, für unsre große industrielle Entwicklung sei nicht mehr Platz im Vaterlande; sie brauche Absatzgebiete in allen Weltteilen, und dazu brauchen wir die zahllosen Soldaten und Schiffe. Wir Sozialdemokraten sind die letzten, die sich einer Entwicklung des deutschen Handels entgegenstemmen würden. Im Gegenteil. Wir haben allen Grund, mit ungetrübter Freude dem Aufschwung der deutschen Industrie und des Welthandels zuzusehen, und zwar aus zwei Gründen. Einmal bietet ein Blühen der Industrie der Arbeiterschaft Aussicht, wenn sic harte und kampftüchtige Organisationen hat, ihre Lage etwas zu bessern, und als Umstürzler sagen wir uns: Je rascher sich der Kapitalismus entwickelt, desto besser ist für uns die Aussicht auf das Endziel. Aber gerade als vernünftige Menschen fragen wir uns: Was hat die Entwicklung des Handels mit dem Militarismus zu tun? Nicht der Militarismus hat der deutschen Industrie Absatzgebiete geschaffen, sondern die Tüchtigkeit und Intelligenz der deutschen Arbeiterschaft. Wenn es den herrschenden Klassen nur um den Fortschritt zu

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[1] Siehe S. 10, Fußnote 1.

[2] Der evangelische Theologe Friedrich Naumann rechtfertigte die imperialistische Expansionspolitik und versuchte, mit demagogischen Forderungen nach einem christlich-nationalen Sozialismus die Arbeiterklasse vom politischen und sozialen Kampf abzuhalten. Er arbeitete eng sowohl mit dem Finanzkapital wie auch mit einflußreichen Reformisten in der Arbeiterbewegung zusammen.