Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 355

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Forderungen an die Preßkommission der „Leipziger Volkszeitung“

[1]

1. Die Pressekommission der „Leipziger Volkszeitung“ bestätigt, daß die Haltung des Blattes in derselben radikalen Richtung fortgeführt werden soll, die es seit 20 Jahren innegehabt hat. Für die gegenwärtige Situation dienen als Richtschnur die Resolutionen Geyer[2] und Luxemburg[3] auf dem Jenaer Parteitag. – Die Pressekommission fordert die drei Berliner Mitarbeiter[4] auf, ihre Mitarbeit in diesem Sinne fortzuführen, und fordert die Redaktion auf, die Beiträge dieser Mitarbeiter, die von ihnen gezeichnet werden, ohne redaktionelle Vorbehalte aufzunehmen. Sollten die Redakteure in einem einzelnen Falle eine andere Auffassung zum Ausdruck bringen wollen, so haben sie ihre Artikel ebenfalls zu zeichnen.

2. Eingesandte Polemiken gegen Artikel eines der drei Mitarbeiter sind dem Verfasser des angefochtenen Artikels zur vorherigen Einsicht und eventuellen Beantwortung vorzulegen.

3. Sobald Genosse Karski zur Vertretung des Genossen Block berufen wird, übernimmt er damit die Funktionen des Genossen Block in der Redaktion.

6. November 1913

Die Internationale (Berlin),
Jg. 10, 1927, Heft 5, S. 156.

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[1] Diese Forderungen wurden von Rosa Luxemburg, Julian Marchlewski und Franz Mehring erhoben. Sie wurden von der Preßkommission abgelehnt; daraufhin kam es zum Bruch der drei Mitarbeitet mit der „Leipziger Volkszeitung“.

[2] Diese Resolution zur Steuerfrage, eingebracht von Friedrich Geyer und 81 Sozialdemokraten, hatte folgenden Wortlaut: „Alle öffentlichen Steuern im heutigen Klassenstaat, ob formell auf den Besitz oder auf den Arbeitsverdienst gelegt, ob als sogenannte direkte oder als indirekte Steuern erhoben, werden in letzter Linie von den arbeitenden Klassen aufgebracht, da diese es sind, die in der heutigen Gesellschaft allen gesellschaftlichen Reichtum schaffen.

Wie immer das Steuerwesen heute ausgestaltet ist, auch in dem für die Arbeiterklasse günstigsten Falle, wenn die Besitzsteuern den überwiegenden Teil der Staatshaushaltskosten decken, ändert das nichts an den Grundlagen der kapitalistischen Produktion, die auf Ausbeutung und Klassenherrschaft beruht.

Die Abwälzung des größten Teiles der öffentlichen Lasten auf die Schultern der arbeitenden Klassen durch das System der indirekten oder Verbrauchssteuern ist aber eins der wirksamsten Mittel der herrschenden Klassen, um die Lebenshaltung der Arbeiterschaft herabzudrücken und ihren sozialen und geistigen Aufstieg zu hemmen.

Der Parteitag fordert deshalb gemäß Punkt 10 des Parteiprogramms: ‚Stufenweise steigende Einkommen- und Vermögenssteuer zur Bestreitung aller öffentlichen Ausgaben, soweit diese durch Steuern zu decken sind. Selbsteinschätzungspflicht. Erbschaftssteuer, stufenweise steigend nach Umfang des Erbguts und nach dem Grade der Verwandtschaft. Abschaffung aller indirekten Steuern, Zölle und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, welche die Interessen der Allgemeinheit den Interessen einer bevorzugten Minderheit opfern.‘

Ferner erklärt der Parteitag:

Der Militarismus ist als das stärkste Machtmittel der herrschenden Klassen auf das äußerste zu bekämpfen.

Alle Gesetzesvorlagen, die zur Stärkung des Militarismus dem Reichstage vorgelegt werden, also auch Steuervorlagen, die zur Deckung der Kosten des Militarismus eingebracht werden, sind, ob sie direkte oder indirekte Steuern fordern, abzulehnen.

Für sonstige Steuervorlagen ist die Stellung der sozialdemokratischen Fraktion durch Punkt 10 des Parteiprogramms vorgeschrieben: bestehende indirekte Steuern sind durch direkte zu ersetzen.“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Jena vom 14. bis 20. September 1913, Berlin 1913, S. 197 f.)

[3] Siehe Rosa Luxemburg: Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 14. bis 20. September 1913 in Jena. In: GW, Bd. 3, S. 328 f.

[4] Gemeint sind Rosa Luxemburg, Julian Marchlewski und Franz Mehring.