Unser Marokkoflugblatt
Leipzig, 26. August
Es hat sicher weite Parteikreise mit Genugtuung erfüllt, daß unsre Partei, nachdem sie sich endlich entschlossen hatte, eine Massenaktion gegen die Marokkoaffäre zu entfalten sogleich auch ein Flugblatt zu diesem Zwecke herausgegeben hat.[1] Weniger als öffentliche Versammlungen anregend, aber dafür viel nachhaltiger in ihrer Wirkung als diese, sind Flugblätter berufen, Aufklärung in die breitesten Volksmassen zu tragen, mit unsrer Auffassung auch solche Kreise bekannt zu machen, die noch nicht aufgerüttelt genug sind, um in sozialdemokratische Versammlungen zu kommen. Als Pioniere, die uns den Weg in noch nicht gewonnene Kreise bahnen müssen, und als Mittel, in den bereits gewonnenen die sozialdemokratische Weltanschauung immer wieder zu befestigen, sind die Flugblätter für uns eine außerordentlich wichtige Waffe, ihrer Abfassung muß die Partei die größte Aufmerksamkeit widmen.
Sieht man sich nun das Flugblatt über die Marokkoaffäre an, so wird man unwillkürlich an das Sprichwort gemahnt: Gut Ding will Weile haben! Wäre der Entschluß zur Aktion gegen die Kriegshetze nicht mit Verspätung in solcher Hast gefaßt und wäre das Flugblatt nicht von heute auf morgen fertiggestellt worden, so hätten wir wahrscheinlich etwas Brauchbares bekommen. In seiner jetzigen Fassung aber, das muß leider gesagt werden, ist das in Hunderttausenden verbreitete Flugblatt beinahe verlorene Mühe.
Das erste, was man von einer Flugschrift erwarten muß, die den
[1] Am 8. August 1911 hatte der sozialdemokratische Parteivorstand nach langem Zögern unter dem Druck der Parteimitglieder durch die Parteipresse aufgerufen, gegen die imperialistische Marokkopolitik (siehe S. 5, Fußnote 1) zu protestieren und den Frieden zu sichern. Das gleichzeitig herausgegebene Flugblatt war von Karl Kautsky verfaßt worden.