Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 178

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Karl Marx

Dreißig Jahre sind es her, daß der Mann seine Augen für immer geschlossen hat, dem die moderne Arbeiterklasse mehr verdankt als irgendeinem Sterblichen. Das Werk, dem Marx sein Leben gewidmet hat, kann nur aus der geschichtlichen Perspektive richtig gewürdigt werden.

Als das Ideal einer Gesellschaft, die auf der Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen beruht, ist der Sozialismus Jahrhunderte alt. In allen größeren sozialen Krisen und revolutionären Bewegungen des Mittelalters und der Neuzeit leuchtete er im Feuerschein als Ausdruck des äußersten Radikalismus auf, um zugleich die unüberwindliche geschichtliche Schranke und den Punkt jeder dieser Bewegungen anzuzeigen, von dem die rückläufige Welle, die Reaktion und der Zusammenbruch unvermeidlich erfolgen mußten.

Doch gerade als ein Ideal, das zu jeder Zeit, in jeder geschichtlichen Entwicklungsphase empfohlen werden konnte, war der Sozialismus nichts als ein schöner Traum vereinzelter Menschenfreunde, unerreichbar wie der luftige Schein des Regenbogens an der Wolkenwand.

Am Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts tritt die sozialistische Idee zuerst mit Kraft und Nachdruck auf, diesmal schon als eine Antwort auf die Schrecken und Verwüstungen, die der aufkommende industrielle Kapitalismus in der Gesellschaft anrichtete. Aber auch jetzt ist der Sozialismus im Grunde genommen nichts andres als das leuchtende Ideal einer Gesellschaftsordnung, die einzelne kühne Geister ersannen und dem grauenhaften Bilde der kapitalistischen Gesellschaft entgegenstellten. Hören wir den ersten Vorkämpfer des modernen revolutionären Proletariats, Babeuf, der während des Niedergangs der Großen Französischen Revolution einen Handstreich zur gewaltsamen Einführung der

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