Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 329

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vollkommene Organisation des Proletariats in politischer und wirtschaftlicher Beziehung und die Erfüllung dieser Organisationen mit revolutionärer Kampfbegeisterung und Opferbereitschaft. Der Parteitag macht deshalb den Parteigenossen zur Pflicht, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisation und für die Verbreitung der Partei- und Gewerkschaftspresse zu wirken. Der Massenstreik kann jedoch nicht auf Kommando von Partei- und Gewerkschaftsinstanzen künstlich herbeigeführt werden. Er kann sich nur als Steigerung einer bereits im Fluß befindlichen Massenaktion aus der Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Situation ergeben.

Als Antwort auf die Übergriffe der Reaktion wie als erste Voraussetzung erfolgreicher Massenaktionen ist eine offensive, entschlossene und konsequente Taktik der Partei auf allen Gebieten erforderlich. Nur eine solche Taktik, die den Schwerpunkt des Kampfes bewußt in die Aktion der Massen verlegt, ist geeignet, in den Reihen der Organisierten die Kampfenergie und den Idealismus wachzuhalten sowie die Unorganisierten in wichtigen Augenblicken mitzureißen und für die gewerkschaftliche und politische Organisation dauernd zu gewinnen.

Der Parteitag fordert die Parteigenossen und die Parteiinstanzen auf, alle Maßregeln zu ergreifen, damit das deutsche Proletariat bei den kommenden Kämpfen für alle Fälle gerüstet dasteht.

II Rede über die Taktik der Sozialdemokratie

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Als ich gestern die große Rede des Genossen Scheidemann hörte, da beschlich mich ein wehmütiger Gedanke an unsere Eröffnungsfeier am Sonntag und an die dort gehaltenen Begrüßungsreden unserer ausländischen Gäste. Da sind die Vertreter unserer Bruderparteien aus Holland, aus Belgien, aus der Schweiz gekommen, und sie haben uns einer nach dem anderen erklärt: Was uns als das wichtigste in eurer Tagung erscheint, ist die Debatte über den Massenstreik; für uns alle in Holland, Belgien, der Schweiz und anderen Ländern war diese Frage schon brennend. Aber wir sind eingedenk dessen – obwohl bei uns die Massenstreikfrage schon praktisch geworden ist –: Dort, wo es gilt, eine tiefgründige, ernste theoretische Behandlung dieser Frage zu erreichen, da muß man zur deutschen Sozialdemokratie gehen, die die Vorhut der Internationale

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[1] Redaktionelle Überschrift.