Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 274

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fen hier zu demselben Auskunftsmittel, das von den süddeutschen Genossen angewendet worden ist, als sie das Bedürfnis empfanden, ihre Abstimmung für das Budget[1] mit dem grundsätzlichen Standpunkt der Sozialdemokratie in Einklang zu bringen. Damals wurde den badischen Genossen von der Gesamtpartei mit Entschiedenheit entgegengehalten, daß durch Worte, durch Erklärungen der politische Charakter einer Handlung wie der Budgetabstimmung nicht geändert werden könne, daß durch ein formales Bekenntnis zum Prinzip des Klassenkampfes der Widerspruch zwischen diesem Prinzip und der Zustimmung zu dem Budget des Klassenstaates nicht aufgehoben werde. Was für die süddeutschen Parlamentarier richtig, dürfte auch auf die Reichstagsfraktion zutreffen: War ihre Abstimmung durch unzweifelhafte, zwingende Gründe mit dem prinzipiellen Standpunkt der Partei zu vereinbaren, dann war die feierliche Erklärung überflüssig oder zum mindesten gleichgültig. Läßt sich aber die Abstimmung nicht aus dem Zwang der Lage und aus parteipolitischem Interesse rechtfertigen, dann hilft die Erklärung nicht im geringsten, den Verstoß gegen die Grundsätze gutzumachen. So oder so kommt es auf den Charakter der Vorlage, für die unsre Fraktion gestimmt hat, und auf die gesamte politische Situation an, es kommt auf den Wert der Handlung an, nicht auf die dabei zu Protokoll gegebenen Erklärungen.

III

Leipzig, 25. Juli

Die Vertreter der Fraktionsmehrheit rechtfertigen ihr Verhalten bei der Abstimmung über die Deckungsvorlage mit der Notwendigkeit, die Kosten der militärischen Rüstungen, wenn man sie nicht verhindern kann, auf die herrschenden Klassen abzuwälzen, und mit unsrer Programmforderung der direkten Steuern. Vor allem: Wenn die Fraktionsmehrheit aus unserm Programm die Berechtigung, ja die Verpflichtung ableiten will, für jede wie immer geartete direkte Steuer unter allen Umständen stimmen zu müssen, so ist das eine ganz willkürliche Verkehrung des Sinns und Wortlauts unseres Parteiprogramms. Der entsprechende Passus im Erfurter Programm lautet:

„Stufenweis steigende Einkommen- und Vermögenssteuer zur Bestreitung aller öffentlichen Ausgaben, soweit diese durch Steuern zu decken sind. Selbsteinschätzungspflicht. Erbschaftssteuer, stufenweise steigend

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[1] Unter Mißachtung der Grundsätze und Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei hatte die sozialdemokratische Fraktion des bayrischen Landtags am 13. August 1908 und die des badischen Landtags am 12. August 1908 wie auch am 14. Juli 1910 dem Landesbudget zugestimmt.