Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 270

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Lesung mit den Blauschwarzen stimmen würde, wie sie für die Beschleunigung der zweiten Lesung gegen diese Parteien gestimmt hatte. Leider sollte diese Entschließung nicht mehr praktische Bedeutung erlangen: Sobald das Zentrum mit den Liberalen hinter den Kulissen einig war, brauchte man uns nicht; die zweite Lesung wurde geschlossen, und das weitere spielte sich im Schnellzugstempo ab, ohne daß unsre Fraktion einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Geschäftsordnung mehr erlangen konnte.

Kurzum, wenn nach der bekannten Abstimmung in der Budgetkommission über die Trennung der beiden Vorlagen in unsrer Parteipresse und in Versammlungen Vorwürfe gegen unsre Fraktion laut wurden, als hätte sie die Beschleunigung der ganzen Verhandlungen verschuldet, so war dieser Vorwurf unseres Erachtens unberechtigt. Unsre Fraktion hatte in Wirklichkeit, wie das jetzt klar für jedermann zutage liegt, gar keinen Einfluß auf die Frist, in der die Militärvorlage im ganzen erledigt würde: Es waren bürgerliche Parteien, deren Kuhhandel schließlich über den Gang und den Ausgang der Dinge entschied. Daß sich unsre Fraktion eine Zeitlang einbildete, einen solchen entscheidenden Einfluß ausüben zu können, hängt mit jenen Illusionen in bezug auf den „linken Block“ zusammen, auf den wenigstens ein großer Teil unsrer Fraktion baute. Diese Illusionen lagen aber schon zertrümmert am Boden in dem Moment selbst, als die zweite Lesung der Wehrvorlage begann und als unsre Fraktion den Triumph über die „platonischen“ Geschäftsordnungsproteste der Konservativen und des Zentrums so voreilig genoß.

II

Leipzig, 24. Juli

Auf die zweite Lesung der Wehrvorlage folgte die zweite Lesung der Deckungsvorlage, und damit kam in die Haltung unsrer Fraktion eine merkliche Schwankung nach rechts, die unsre Position wieder verwirrte und schwächte. Was jetzt zur Verhandlung vor das Plenum gelangte, paßte so auf die beabsichtigte und erhoffte Gestaltung der Deckung, wie sie unsre Fraktion mit den Liberalen gegen die Schwarzblauen zustande zu bringen gedachte, wie die Faust aufs Auge. Die Absichten und Hoffnungen der Fraktionsmehrheit in dieser Hinsicht finden wir klipp und klar formuliert im Leitartikel des „Vorwärts“ vom 29. Mai, wo es heißt:

„Für uns handelt es sich viel weniger um das Wann als um das Wie der neuen Steuern. Wenn je, so ist jetzt die Gelegenheit zu einer gründlichen

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