Rede am 18. Dezember 1911 im I. Berliner Reichstagswahlkreis
[1]Nach einem Zeitungsbericht
Rednerin zeichnet ein knapp umrissenes Bild von der augenblicklichen internationalen politischen Situation. Die Kanonenschüsse seien die Begleitmusik auf unserem Marsche in den Volkskampf. Rednerin geht ein auf die Hungerkrawalle in England, Österreich und anderen Ländern, die Zeichen seien, die wir ihrer ganzen Bedeutung nach würdigen müßten, womit sie allerdings nicht sagen wolle, daß der Hunger im Volke eine neue Erscheinung sei, vielmehr sei er nur die Folge unserer kapitalistischen Wirtschaftsweise, in der naturnotwendig Krise mit Aufschwung wechselte. Neu sei aber, was wir in diesem Jahre erlebt hätten, wo keine Krisis zu verzeichnen wäre, im Gegenteil, das Unternehmertum glänzende Geschäfte gemacht habe. Es zeige sich, daß heute noch nicht einmal mehr eine Krise notwendig sei zur Herbeiführung einer Hungersnot. Es zeige sich aber weiter daraus, wohin der Kapitalismus mit unerbittlicher Logik führe. Rednerin weist auf den Kampf in der Metallindustrie[2] hin, wo zirka 70 000 Menschen nur aus einem Racheakt heraus brotlos gemacht werden sollten. Auf den ersten Blick handle es sich hierbei ja wohl nur um eine Gruppe, aber das letzte Jahr habe schon drei solcher Erschütterungen in der Metallindustrie gebracht. Wenn es auch zum Frieden gekommen sei, so wäre es Torheit, zu glauben, wir blieben in Zukunft davon verschont: Nein, wie ein Damoklesschwert hänge die Aussperrung über die Arbeiterschaft. Hier handle es sich nicht mehr um wenige Pfennig Lohnerhöhung oder eine Viertelstunde Arbeitszeitverkürzung, hier gehe es ums Prinzip. Die Scharfmacher glaubten, durch solche Aussperrung die Gewerkschaftskassen leeren und die Gewerkschaften selbst erdrosseln zu