Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 12

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Friedensdemonstrationen

Leipzig, 31. Juli

Die proletarische Friedensdemonstration in der „Neuen Welt“ in Berlin am vergangenen Freitag[1] wird überall einen tiefen Eindruck gemacht haben. Die spontanen Kundgebungen herzlicher Freundschaft, die in der Riesenversammlung beim Erscheinen der französischen Arbeitervertreter ausbrachen, der nicht enden wollende stürmische Beifall, der jeder Wendung der Redner gegen den Krieg und für die Volksverbrüderung galt, das alles bot das Bild einer wirklichen Demonstration tief empfundener Gefühle und festgewurzelter Überzeugungen. Die große Masse der aufgeklärten deutschen Arbeiterschaft ist aus tiefster Seele gegen die kapitalistische Weltpolitik mit all ihrer Verlogenheit und all ihrem Schmutz profitgieriger Interessen und gemeinen Völkerraubs aufgebracht. Man kann auch gar nicht wirksamer gegen die drohende Kriegsgefahr und für die Erhaltung des Friedens arbeiten, als indem man der bürgerlichen Öffentlichkeit und den Leuten der imperialistischen Abenteuerpolitik diese Stimmung der werktätigen Volksmassen vordemonstriert. Angesichts des grimmigen Hasses und des kalten Hohns, der von unsern proletarischen Massen bei jeder Erwähnung der Kriegshetze und der sie beschönigenden patriotischen Phrasen kundgegeben wird, angesichts der leidenschaftlichen Entschlossenheit dieser Massen, sich um keinen Preis als Kanonenfutter für den kolonialpolitischen Wahnwitz[2] mißbrauchen zu lassen, sind solche Demonstrationen wie die neuliche in Berlin zugleich

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[1] Aus Anlaß des Besuches einer französischen Gewerkschaftsdelegation in Berlin hatte die Berliner Gewerkschaftskommission am 28. Juli 1911 in der „Neuen Welt“ eine Kundgebung veranstaltet, die sich unter starker Anteilnahme der Berliner Arbeiterschaft zu einer Demonstration für den proletarischen Internationalismus und gegen die friedensgefährdende Kolonialpolitik des deutschen und des französischen Imperialismus gestaltete.

[2] Siehe S. 5, Fußnote 1.