eine drohende Mahnung, die den herrschenden Politikern ins Gesicht geschleudert wird: Und mit diesen Volksmassen wollt ihr einen Krieg führen? Wehe euch, wenn ihr einen solchen frivolen Versuch macht, denn die Zeiten des Kadavergehorsams und der Unmündigkeit der Massen sind vorbei!
Jeder überzeugte Gegner der imperialistischen Politik und des Militarismus wird deshalb über die Berliner Demonstration in der „Neuen Welt“ seine aufrichtige Freude empfunden haben. Und doch mischen sich in diese Freude unwillkürlich einige Mißtöne. Daß die Demonstration überhaupt zustande kam, daß die klassenbewußte Arbeiterschaft der Hauptstadt des Reichs Gelegenheit hatte, ihren Gefühlen gegen den Militarismus öffentlich Ausdruck zu verleihen und mit den französischen Proletariern zu fraternisieren, das verdanken wir lediglich den Führern unsrer Gewerkschaftsbewegung. Es muß ihnen hoch als Verdienst angerechnet werden, daß sie einen zufällig in die gespannte weltpolitische Situation gefallenen Besuch der französischen Gewerkschafter, die einer schon früher an sie ergangenen Einladung unsrer Generalkommission jetzt Folge leisteten, zu einer internationalen proletarischen Friedensdemonstration gestaltet haben. Die Vertreter der freien Gewerkschaften haben damit ein sicheres Gefühl für ihre großen Aufgaben und ihre Hingebung an die Lehren des wissenschaftlichen Sozialismus bewiesen. Wo war aber die Partei bei dieser Gelegenheit? War es nicht vielmehr – so muß sich unwillkürlich jeder Genosse fragen – Aufgabe und Pflicht der Sozialdemokratie, eine internationale Friedenskundgebung der Arbeiterschaft zu veranstalten? Freilich, auch die Partei hat dank den Gewerkschaften an der Berliner Demonstration mitgewirkt, war doch die Masse, die in der „Neuen Welt“ demonstrierte, sicher aus lauter Parteigenossen und Anhängern der Sozialdemokratie zusammengesetzt, und ein Vertreter des Parteivorstands konnte als Gast bei dieser gewerkschaftlichen Veranstaltung zum Schluß das Wort ergreifen.[1] Gehörte es sich aber nicht, daß bei einer so eminent politischen und internationalen Angelegenheit die Partei die Führung übernahm und mit der Initiative voranging, statt im Schlepptau der Gewerkschaften zu gehen? Selbstverständlich kann bei Fragen dieses Maßstabs von kleinlichen Konkurrenzrücksichten, vom gegenseitigen Rangablaufen gar nicht die Rede sein. Partei und Gewerkschaften gehören bei jeder größeren Aktion zusammen. Hier handelt es sich aber darum, ob die Sozialdemokratie durch ihren Mangel an Initiative nicht
[1] Die Zeitungsmeldung, daß im zweiten Saal der „Neuen Welt“ Genosse Müller vom Parteivorstand sprach, ist irrtümlich. Vom Parteivorstand war niemand anwesend als Genosse Molkenbuhr. [Fußnote im Original]