Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 286

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liche Aufklärung der Volksmassen über die wirklichen ökonomischen und politischen Wurzeln des heutigen Militarismus als eines Pfeilers der Ausbeutung und der Klassenherrschaft unter allen Umständen und bei allen finanzpolitischen Deckungsmethoden, über die Tatsache, daß es in letzter Linie auch unter direkten Steuern die Arbeiterklasse ist, die in jeder Hinsicht, wirtschaftlich wie politisch, die Zeche zu zahlen hat, und daß man deshalb diesem System keinen Mann und keinen Groschen bewilligen dürfe.

Allen diesen Standpunkten hat die Fraktionsmehrheit sowohl durch die von unsern Rednern bei der zweiten Lesung der Deckungsvorlage gehaltenen Reden wie durch die Motivierung ihrer Schlußabstimmung direkt zuwidergehandelt.

Es bleibt nur noch, die politische Situation zusammenzufassen, aus der heraus die Taktik der Fraktion erst ihre Gesamtwürdigung erhalten kann.

VI

Leipzig, 29. Juli

Die ganze politische Perspektive, nach der die Fraktionsmehrheit ihre Taktik orientiert hat, war also unseres Erachtens verkehrt. Die Militärvorlage durfte nicht als das Anzeichen einer Entwicklung Deutschlands in der Richtung auf die Volkswehr gedeutet werden, wie der „Vorwärts“ am 28. Juni schrieb, die Deckungsvorlage durfte nicht als ein erster Anfang der Verwirklichung des sozialdemokratischen Programms gedeutet werden, wie die Genossen Südekum und David im Plenum verkündeten, das klerikal-liberale Kompromiß durfte nicht als eine Verhütung neuer Volksbelastung gedeutet werden, wie die Erklärung der Fraktion besagt. Im Gegenteil, es war Pflicht der Fraktion, dem Volke über die epochemachende Bedeutung und ihre weiteren Perspektiven der ungeheuerlichen Militärvorlage die Augen zu öffnen, ihm durch das Auftreten im Reichstag klarzumachen:

daß der Übergang des Reichs zur teilweisen Deckung der Heeresausgaben durch direkte Steuern der handgreiflichste Beweis ist, daß bei dem rasenden Tempo im Wachstum des Militarismus nunmehr die Mittel der Verbrauchssteuern und Zölle für die Deckung allein nicht mehr auszureichen vermögen;

daß es unverzeihliche Kurzsichtigkeit und Verblendung wäre, aus dieser teilweisen Heranziehung der Besitzenden zu den Kosten des Militarismus zu schließen, die Schröpfung des Volkes würde nunmehr aufhören

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