Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 363

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Arbeitslos!

Das zur Rüste gehende Jahr, mit dem für die deutsche Arbeiterklasse eine Periode furchtbarer Arbeitslosigkeit begonnen hat, ist auch in der Leidens- und Kampfgeschichte des europäischen Proletariats ein Jubiläumsjahr. Genau vor einem halben Jahrhundert, im Jahre 1863, erreichte in England jene berühmte Krise, genannt Baumwollhunger, ihren Höhepunkt. Eine Viertelmillion Männer und Frauen völlig arbeitslos, mehr als anderthalb hunderttausend nur ein paar Tage in der Woche um Bettelpfennige beschäftigt, eine halbe Million Menschen auf öffentliche Unterstützung angewiesen – im grellen Schein dieses Massenelends sollte sich zum ersten Mal in klassischer Weise zeigen, was die bestehende Gesellschaft für die hungernden Opfer ihres Systems allenfalls zu tun bereit ist und was ihr entscheidender Gesichtspunkt bei all dem Elend ist. War es doch damals, als sich die Lancershirer Proletarier, des müßigen Hungerns satt, zu einer Massenauswanderung nach Australien anschickten, daß jenes Manifest der Fabrikanten erschienen war, worin die Vertreter des Geldsacks erklärten: unter keinen Umständen könnten die Unternehmer dulden, daß ein Teil ihrer „Maschinerie“ – nämlich die lebendigen Arbeitskräfte – das Land verließe. Brauche man sie doch „in ein, zwei, drei Jahren“ wieder, wenn der Geschäftsgang von neuem flott würde. „Ein, zwei, drei Jahre“ des Massenhungers: das ist das periodische Schicksal der „lebendigen Maschinerie“ unter der Herrschaft des Kapitalismus, ein Schicksal, das dem Kapital als ein ebenso unverbrüchliches Naturgesetz erscheint und es auch in der Tat ist, wie daß das Kapital allein nach seinen Profitrücksichten mit Millionen proletarischer Existenzen Fangball spielt, sie bald in das Fegefeuer der rastlosen Überarbeit, bald in die Hölle der völligen Arbeitslosigkeit schleudert. Daß gegen die Arbeits-

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