Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 452

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Zum preußischen Wahlrechtskampf

Die Erklärung des Ministers des Innern im preußischen Abgeordnetenhaus, daß die Regierung an eine Wahlrechtsvorlage nicht im Traume mehr denke[1], stellt unsere Partei erneut vor eine ernste Alternative. Das glatte Nein, das nunmehr ohne Umschweife dem gebieterischen Ruf der Massen nach der Beseitigung der Dreiklassenschmach entgegengestellt worden, ist eine freche Provokation, ein der Arbeiterklasse hingeworfener Handschuh und zugleich eine offizielle, endgültige Beglaubigung mehr, daß das allgemeine Wahlrecht in Preußen einzig und allein von der Straße und auf der Straße erobert werden kann. Die parlamentarische Aktion in dieser Richtung hat längst Bankrott gemacht, was bei dem Verrat des bürgerlichen Liberalismus gar nicht anders sein konnte. Die jetzige Position der Regierung zeigt, daß auf parlamentarischem Gebiete in der Wahlrechtssache nicht einmal Scheingefechte mehr zu gewärtigen, daß den Massen nicht einmal die leisesten Illusionen mehr erlaubt sind, als ob sie von irgendeiner Seite außer von sich selbst, unter der eigenen entschlossenen Aktion eine Wendung der Dinge zu erwarten hätten.

Offizielle Erklärungen wie die Loebellsche sind politische Akte, die eine gebührende Antwort erheischen. Eine Millionenpartei, die unzählige Male verkündet hat, die Beseitigung des preußischen Dreiklassenwahlrechts sei eine ihrer vornehmsten und dringendsten politischen Aufgaben, sei ein Ziel, an das alle Kräfte und die äußersten Mittel gesetzt werden müssen, kann nicht gut schweigend eine Herausforderung hinnehmen, wie sie ihr wieder geworden ist. Im proletarischen Klassenkampf wie in jedem

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[1] Am 18. Mai 1914 hatte der preußische Innenminister Friedrich Wilhelm von Loebell im preußischen Abgeordnetenhaus provokatorisch betont, daß die Regierung nicht beabsichtige, eine Verstärkung des Einflusses der Massen und eine Demokratisierung des Wahlrechts vorzunehmen.