politischen Kampf ist Schlag auf Schlag die beste Taktik, worunter natürlich nicht etwa ein sinnloser Lufthieb, sondern der jeweilig passendste und wirksamste „Schlag“ als Antwort gedacht werden muß.
Immerhin wäre in der heutigen Situation sogar ein weiteres abwartendes Schweigen, wie wir es schon in der preußischen Wahlrechtssache seit vier Jahren beobachten, entschieden vorzuziehen etwa einem neuen Versuche mit halben Aktionen, die nach einigem Anlauf abgebrochen und an den Nagel gehängt werden sollten.
Freilich, gar so einfach und simplistisch, wie es der schrille Ruf nach dem Massenstreik will, der plötzlich in unserem Leipziger Organ ertönt ist[1], sind ernsthafte Massenaktionen nicht hervorzurufen. Es klingt sehr entschlossen, wenn man, wie der Leipziger Artikel, alle Versammlungen, selbst Straßendemonstrationen und Erörterungen über den Massenstreik ablehnt und nunmehr direkt zum Massenstreik in Preußen mahnt. Es wäre jedoch Zeit, daß man in unseren Reihen lernt, daß Massenstreiks nicht „gemacht“, nicht plötzlich an einem schönen Morgen auf Kommando der Parteileitung und nach ihrem Taktstock wie eine militärische Parade aufgeführt werden. Selbst in einem Lande, wo der politische Massenstreik bereits zur vertrauten, vielfach erprobten Waffe geworden ist, wie Italien oder Rußland, kann die Parole zum Massenstreik in jedem einzelnen Fall von der Partei nur dann mit Aussicht auf Erfolg ausgegeben werden, wenn die Massen durch irgendwelche politischen Ereignisse oder die wirtschaftliche Situation bereits in einen hohen Grad der Erregung und Kampflust gebracht worden sind. In Deutschland hingegen, wo die Massen bis jetzt durch die Parteidisziplin wie die Gewerkschaftsdisziplin hauptsächlich zum Abwarten erzogen und nur auf parlamentarische Wahlaktionen eingeübt sind, wo insbesondere die preußische Wahlrechtsbewegung seit Jahren im Stillstand verharrt, können das Kampffeuer und der stürmische Elan, wie sie zu einer ersten ernsthaften Massenstreikbewegung unbedingt erforderlich wären, nicht von heute auf morgen künstlich durch das Machtwort der Parteileitung hervorgezaubert werden. Große Massenbewegungen haben ihre Psychologie und ihre Gesetze, mit denen ernsthafte Führer rechnen müssen.
Aber gerade diese Psychologie spricht auch dafür, daß es heute eher schädlich als nützlich wäre, wieder irgendwelche Schritte in der preußischen Wahlrechtssache zaghaft vorzunehmen, um auf halbem Wege stehenzubleiben und baldigst wieder zur Tagesordnung überzugehen. Die Ber-
[1] Heraus mit dem politischen Massenstreik in Preußen! In: Leipziger Volkszeitung, Nr. 113 vom 19. Mai 1914.