Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 473

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Die verkehrteste Taktik

Wir leben in einer Situation, wo die Gegner mit Feuereifer daran zu arbeiten scheinen, um unsere Position jeden Tag durch neue Brutalitäten und Verkehrtheiten zu stärken, und es wäre nichts bedauerlicher, als wenn wir uns diese glänzende Position durch eigene Verkehrtheiten verpfuschen wollten. Zu solchen gehört aber zweifellos der Hamburger Partei- und Gewerkschaftsbeschluß betreffend die Maifeier. Was der Beschluß formal fordert, ist nur, daß vom Internationalen Kongreß den einzelnen Nationen überlassen wird, die Art und Weise der Kundgebung am 1. Mai zu bestimmen. Worauf er in Wirklichkeit hinausgeht, ist nichts anderes als die Abschaffung der Maifeier überhaupt, und der erste Vorwurf, den man den Hamburger Partei- und Gewerkschaftsvorständen machen muß, besteht darin, daß sie ihre Absicht nicht offen ausgesprochen haben. Wenn man die Maifeier begraben will, dann soll man wenigstens den Mut haben, dies klipp und klar zu sagen. In Wirklichkeit sind die Hamburger leitenden Instanzen heute genau dort angelangt, wo Leimpeters im Jahre 1905 stand, als er auf dem Kölner Gewerkschaftskongreß die Maifeier ungeniert für einen „lahmen Gaul“ erklärte, den man so schnell wie möglich abschlachten müsse. Es würzt lediglich die Sache, ohne sie um ein Jota besser zu machen, wenn die Hamburger Totengräber der Maifeier aus dem umgekehrten Gesichtspunkt heraus wie Leimpeters seinerzeit, nämlich aus der Erbitterung über die Unzulänglichkeit der bisherigen Maifeier in Deutschland, zu ihrem verzweifelten Entschluß gekommen sind. Es ist dies jedenfalls eine Kurmethode in der Art des berühmten Doktor Eisenbart, eine Aktion, weil sie nicht kraftvoll genug entfaltet wird, gänzlich totzuschlagen.

In noch krasserem Widerspruch steht der Beschluß zu seiner eigenen

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