Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 341

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kraten. Wir haben ja vor wenigen Tagen ein so lehrreiches Beispiel uns hier erzählen lassen. Der Genosse aus Holland hat Ihnen gezeigt, daß die Sozialdemokratie in jenem Lande vor der Wahl stand, entweder zusammen mit den Liberalen in ein bürgerliches Ministerium einzutreten oder ein klerikales Ministerium über sich ergehen zu lassen. Und die Mehrheit der holländischen Genossen hat gesagt, das größere Übel wäre der Verzicht auf unsere grundsätzliche Ablehnung der Teilnahme an einer bürgerlichen Regierung. Und deswegen, haben sie sogar die Gefahr eines klerikalen Ministeriums in Kauf genommen. Wenn Sie sich nun auf den Boden des Mehrheitsbeschlusses unserer Fraktion stellen, dann kommen Sie in die Lage, wenn der Krieg ausbricht und wir an dieser Tatsache nichts mehr ändern können und wenn dann die Frage kommt, ob die Kosten durch indirekte oder direkte Steuern zu decken sind, daß Sie dann folgerichtig für die Bewilligung der Kriegskosten eintreten. („Sehr richtig!“ und Widerspruch.) Das ist eine schiefe Ebene, wie Wurm in Leipzig gesagt hat, auf der es kein Halt mehr gibt. Deswegen wollen wir mit unserer Resolution einen Riegel vorschieben und diesen Seitensprüngen entgegenrufen: Bis hierher und nicht weiter! (Lebhafter Beifall.)

IV Zusatzantrag zum Fall Radek

[1]

Vorbehalten bleibt dabei die Untersuchung des Falles Radek[2] in seinem vollen Umfange durch dazu berufene deutsche Parteiinstanzen unter Wahrung einer ausreichenden Verteidigungsmöglichkeit für Radek.

V Begründung des Zusatzantrags zum Fall Radek

[3]

Nach meiner Überzeugung können wir die Sache gar nicht anders erledigen, als indem wir beschließen, daß der Fall von deutschen Parteiinstan-

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[1] Redaktionelle Überschrift. – Der Antrag 45 zum Fall Radek, eingebracht vom Parteivorstand, lautete: „Personen, die aus einer dem Internationalen Sozialistischen Büro angeschlossenen Bruderpartei aus Gründen, die auch in der deutschen Sozialdemokratischen Partei zum Ausschluß führen, ausgeschlossen worden sind, können in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ohne Zustimmung der Partei, die den Ausschluß vollzogen hat, die Mitgliedschaft nicht erwerben.“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Jena vom 14. bis 20. September 1913, S. 183.) – Das Amendement Rosa Luxemburgs wurde durch die Annahme des abgeänderten Antrages des Parteivorstandes für erledigt erklärt.

[2] Ein vom Hauptvorstand der Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens einberufenes Parteigericht hatte gegen Karl Radek Anklage wegen unmoralischen Verhaltens in länger zurückliegender Zeit erhoben und ihn Ende August 1912 aus der SDKPiL ausgeschlossen. Anfang September 1913 überprüfte eine auf Initiative des Büros der Auslandssektionen der SDKPiL gebildete Kommission diesen Beschluß und kam zu dem Ergebnis, daß kein Grund vorgelegen habe, Radek aus der Partei auszuschließen. Sie beantragte die Aufhebung des Urteils.

[3] Redaktionelle Überschrift.