Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 340

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lichen Produktion beruhen, die Verhältnisse zwischen Arbeitslohn und Profit, Profit und Zins, Grundrente und Profit, können durch die Steuer höchstens in Nebenpunkten modifiziert, nie aber in ihrer Grundlage bedroht werden. Alle Untersuchungen und Debatten über die Steuer setzen den ewigen Bestand dieser bürgerlichen Verhältnisse voraus. Selbst die Aufhebung der Steuern könnte die Entwicklung des bürgerlichen Eigentums und seiner Widersprüche nur beschleunigen.“[1] („Sehr richtig!“)

Das ist alles sehr richtig, warum war es aber notwendig, jetzt zu der aktuellen Steuerfrage diese sehr richtige alte Wahrheit zu sagen? Weil mit den letzten Besitzsteuern in unseren Reihen ein Sums erhoben worden ist über die neue Epoche, die mit der Besteuerung der Besitzenden anheben sollte. („Sehr richtig!“ und Widerspruch.) Die Arbeiter, die schlichten Leute mußten ja dabei denken, es beginne schon die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft. („Sehr richtig!“ und Widerspruch.) Haben Sie nicht gehört, daß sich der zweite Referent, Südekum, auf den Sachverständigen Grafen Westarp berief, der ja die Annahme dieser Steuer als die Verwirklichung des sozialistischen Staates hinstellen wollte? Es ist doch die erste Pflicht der Sozialdemokraten, dem entgegenzuwirken, daß bürgerliche Parteien nach Annahme dieser Besitzsteuer bei der nächsten Reichstagswahl uns entgegentreten und sagen: Nun beginnt ja die Entlastung, die Befreiung der Arbeiterklasse von dem Jammertal der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Es ist unsere elementare Pflicht, vor allem die sozialistische Aufklärung zu fördern und jeder scheinbaren Konzession der bürgerlichen Klassen unseren grundsätzlichen Standpunkt entgegenzustellen. („Sehr richtig!“) An der kapitalistischen Ausbeutung ändert auch die beste Steuer nicht das geringste. Nun arbeitet man ja hier viel mit dem Grundsatz des kleineren Übels. Man sucht die Stellungnahme der Fraktionsmehrheit damit zu verteidigen, indem man sagt, wir waren nur vor der Wahl, entweder zuzulassen, daß die indirekten Steuern kamen, oder für direkte Steuern zu Militärausgaben zu stimmen. Ich lasse dahingestellt sein, ob dieses Entweder–Oder tatsächlich vorlag. Ich will nur grundsätzlich erklären, daß es allerdings sehr richtig ist, daß man von zwei Übeln das geringere wählt. Was ist aber für Sozialdemokraten das geringere Übel? Der Verzicht auf eine kleine positive Position oder die Preisgabe der grundsätzlichen Stellungnahme? („Sehr gut!“) Ich glaube, das letztere ist unter allen Umständen das größere Übel für Sozialdemo-

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[1] Karl Marx, Friedrich Engels: Rezensionen aus der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“. Viertes Heft, April 1850. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 7, S. 285 f.