Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 342

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zen in vollem Umfange untersucht werden muß. („Sehr richtig!“) Durch rein formelle Erläuterungen kann man die ganze Sache Radek nicht mehr von sich schieben. Wäre vor einem Jahre, als er sich zur Aufnahme in Deutschland gemeldet hatte, gesagt worden, er könne nicht aufgenommen werden, weil eine andere internationale Partei ihn ausgeschlossen hat, dann war das recht und billig gewesen. Nun hat aber Radek schon jahrelang in der deutschen Partei seine Tätigkeit geübt. Jahrein, jahraus hat sich die deutsche Parteipresse mit dem Fall Radek beschäftigt. (Pfannkuch: „Schlimm genug!“) Ich bedauere es auch, aber jetzt können wir die Tatsachen nicht durch eine formale Lösung von uns schieben. Wenn Sie auch die allgemeine Regelung des Parteivorstandes im Prinzip annehmen, so kann unser heutiger Beschluß auf den Fall Radek aber keine rückwirkende Kraft erhalten. Dieser Fall muß in vollem Umfange untersucht werden. Der Antrag Liebknecht, an das Internationale Büro zu gehen, ist ganz unannehmbar. Das Internationale Büro kann überhaupt nur dann einschreiten, wenn zwei internationale Parteien die Berufung an das Büro vornehmen. Das liegt hier nicht vor. Die deutsche Partei muß selbst in der Lage sein, das Verhältnis mit einem Mitglied zu regeln, das sich in die deutsche Organisation hat aufnehmen lassen. Es wäre lächerlich, wenn die deutsche Sozialdemokratie deswegen an das Internationale Büro gehen würde. Wenn Sie aus den Äußerungen des Genossen Müller schließen würden, daß die Wünsche des polnischen Parteivorstandes dahin gingen, Sie sollen die Radek-Sache durch eine solche formale Lösung von sich abschieben, so entspricht das nicht den Tatsachen. Ich kann mitteilen, daß der polnische Parteivorstand es mit Freude begrüßen wird, wenn Sie beschließen, den Fall Radek innerhalb der deutschen Instanzen, wie es sich gehört, in vollem Umfange zu untersuchen. Ich bitte Sie, wenigstens diesen Antrag von mir auf diesem Parteitag anzunehmen. (Heiterkeit und Beifall.)

Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages

der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Abgehalten in Jena vom 14. bis 20. September 1913, Berlin 1913,

I: S. 194/195,

II: S. 288-293,

III: S. 485-487,

IV: S. 198,

VI: S. 543 f.

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