Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 287

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oder auch nur nachlassen; umgekehrt, jede neue Stärkung des Militarismus führt unvermeidlich zu weiteren Forderungen des gefräßigen Ungetüms, die neue Militärvorlage verschärft enorm die internationalen Gegensätze, steigert das allgemeine Rüstungsheber, macht also in nächster Zukunft todsicher neue Schröpfungen unvermeidlich;

daß selbst dann, wenn sämtliche Kosten des Militarismus von der Bourgeoisie gedeckt wären, sie es ausgezeichnet versteht, die Kosten in Wirklichkeit auf die arbeitenden Massen abzuwälzen, also jeder dem Militarismus in welcher Gestalt immer bewilligte Pfennig ein Beitrag zur Stärkung der politischen und ökonomischen Klassenherrschaft, zur Stärkung des Todfeindes der Arbeiterklasse ist;

daß obendrein die Deckungsvorlage auch in den bescheidensten Grenzen nicht als eine ernstgemeinte Reform der reichsdeutschen Finanzen im fortschrittlichen und volksfreundlichen Sinne betrachtet werden kann, sondern als ein miserables Pfuschwerk, das den Weg zu einer rationellen Finanzreform versperrt;

daß endlich die schroffe Ablehnung auch der geringsten Militärreformen im fortschrittlichen Sinne sowie die Ablehnung der Anträge auf Herabsetzung der Zuckersteuer den volksfeindlichen Charakter des ganzen Machwerks nur noch mehr unterstrichen hat;

daß die Sozialdemokratie aus allen diesen Gründen jede Verantwortung für dieses Werk der Reaktion von sich weist und sie vollauf dem Zentrum und den Liberalen zuweist, welch letztere namentlich durch ihren Verrat die Hauptschuld an der Verhunzung der Deckungsvorlage tragen.

Und eine solche Taktik, die selbstverständlich zur Ablehnung des Wehrbeitrags wie der Reichsvermögenszuwachssteuer hätte führen müssen, sollten die Volksmassen „absolut nicht verstehen können“? Nun, die Massen der organisierten Genossen haben bereits an mehreren Orten im Lande gezeigt, daß sie eine solche Taktik sehr wohl verstanden hätten und daß sie umgekehrt das Verhalten der Fraktion nicht verstehen können. Das Parteigewissen empfand schon während der Verhandlungen in der Budgetkommission und im Reichstag, daß in diesem Falle, auf diesen ungeheuerlichen Vorstoß der imperialistischen Reaktion ein besonders scharfer Kampf, ganz hervorragende Protestmittel gehörten. Es ist verfehlt, sich dabei an die äußeren, technischen Formen des Kampfes zu halten und unsern Abgeordneten etwa vorschreiben zu wollen, daß sie unbedingt Obstruktion hätten treiben sollen. Ob solche Mittel gangbar waren oder nicht, darüber müssen schließlich die Abgeordneten selbst be-

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