Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 7

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Bismarck 1887 mit Boulanger[1] und Bülow 1906 mit den Hottentotten[2]. Nun traue ich den Herren Bethmann Hollweg und Kiderlen-Wächter jede Dummheit zu, also auch solche, die zu ernsthaften europäischen Konflikten führen können. Bei Marokko glaube ich aber, daß die Herren nicht freie Hand haben, weil dort entgegengesetzte kapitalistische Interessen in Frage kommen, wovon die ‚französische‘ Gruppe auch in Deutschland die stärkere ist.

Diesen Minenkrieg haben wir schon seit einigen Jahren. Bekanntlich hat ein Herr Mannesmann dem Sultan von Marokko Geld gegeben und dafür ein Schriftstück erhalten, von dem er und seine Freunde und die kleine Gruppe der Schreier, die sich Alldeutsche nennen, behaupten, daß durch dieses Schriftstück den Gebrüdern Mannesmann ein Minenmonopol für Marokko gegeben ist. Freilich steht der Inhalt mit dem Algecirasvertrag[3] im Widerspruch. Mannesmann und seine Freunde behaupten, das schade nichts, denn die Algecirasakte könne ältere Verträge nicht beeinflussen.

Trotz des großen Lärms, den Mannesmann und seine Freunde in der Presse machten, war der frühere Staatssekretär des Äußeren, v. Schön, nicht zu bewegen, nur ein freundliches Wort über den Mannesmann-Vertrag zu sagen, weil er nicht offen Stellung gegen Mannesmann nehmen wollte. Als er doch zur Äußerung gepreßt wurde, fiel diese sehr zuungunsten des Herrn Mannesmann aus. Der Grund ist folgender: Es ist weniger der unsichere Rechtsboden des Mannesmann als ein entgegenstehendes kapitalistisches Interesse. Mit Mannesmann konkurriert ein französisches Minensyndikat. Dieses Syndikat hat seinen Sitz in Paris, und an dem-

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[1] Im Jahre 1886 war der Wortführer der französischen Revanchepolitiker, General Georges Boulanger, als Kriegsminister in die französische Regierung eingetreten. Otto von Bismarck benutzte diesen Umstand, um gegen Frankreich eine chauvinistische Hetze zu entfachen und um eine neue Heeresvorlage zu begründen. Im Zeichen dieser verschärften Situation wurden am 21. Februar 1887 (dem Rosenmontag, daher auch als Faschingswahlen bezeichnet) Wahlen zum Reichstag durchgeführt, bei denen die Zahl der sozialdemokratischen Mandate von 34 auf 11 zurückging.

[2] Unter der Leitung des Reichskanzlers Bernhard von Bülow war der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen am 25. Januar 1907 durch eine Hetzkampagne der Reaktion gegen alle oppositionellen Kräfte, besonders gegen die Sozialdemokratie, und durch chauvinistische Propaganda für die Weiterführung des Kolonialkrieges gegen die Hereros und Hottentotten in Afrika (siehe S. 70, Fußnote 2) gekennzeichnet. Obwohl die Sozialdemokratie die größte Stimmenzahl erzielte, erhielt sie auf Grund der veralteten Wahlkreiseinteilung sowie der Stichwahlbündnisse der bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie nur 43 Mandate gegenüber 81 im Jahre 1903.

[3] Mit dem Algecirasvertrag vom 7. April 1906 war die erste Marokkokrise von 1905 beendet worden. Der Vertrag garantierte Marokko formal die Unabhängigkeit, festigte aber den Einfluß Frankreichs in Marokko, indem er die Polizei des Landes auf fünf Jahre französischer und spanischer Kontrolle unterstellte. Deutschland hatte sich durch seine imperialistische Abenteuerpolitik außenpolitisch fast völlig isoliert.